Debatte um Sterbehilfe
Diakonie-Präsident wirbt für flächendeckende Suizidprävention
Es braucht eine gesetzlich verankerte Suizidprävention, fordert Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Trotzdem dürften sich auch kirchliche Pflegeeinrichtungen der Suizidbeihilfe nicht komplett versperren.
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In der Suizidprävention ist „noch richtig Luft nach oben in Deutschland“, sagt Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland.
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Frankfurt/Main. In der Debatte um Suizidbeihilfe hat der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, für eine „gesetzlich verankerte, flächendeckende Suizidprävention“ geworben. Das gehe aber nur, wenn man die bestmögliche Palliativversorgung für sterbenskranke Menschen habe. „Und da ist noch richtig Luft nach oben in Deutschland“, sagte Lilie am Samstag auf einem im ZDF live übertragenen Podium beim Ökumenischen Kirchentag.
Der Bedarf sei hier in einer älter werdenden Gesellschaft enorm. Zunächst müssten bei der Palliativmedizin bundesweit optimale Voraussetzungen geschaffen werden, damit Menschen sich „möglichst angstfrei“ auf die Situation einlassen könnten. Erst dann könne man über Selbstbestimmung diskutieren, so Lilie.
Suizidbeihilfe dürfe nicht zur Dienstleistung werden
Auch die Palliativmedizinerin und Medizinethikerin Claudia Bausewein plädierte dafür, dass Suizidbeihilfe die Ausnahme bleiben müsse und nicht zu einer „Dienstleistung“ werden dürfe. Es müsse darum gehen, die bisher schon gut aufgestellte Palliativversorgung in Deutschland noch besser zu machen. „Es muss auch mehr über Suizidprävention gesprochen werden.“ Zwar werde es auch dann „seltene Fälle“ geben, in denen eine Suizidbeihilfe in Frage kommen könnte. Es gebe heute jedoch sehr gute Medikamente in der Schmerztherapie. „In den allermeisten Fällen kann eine Schmerzlinderung und im Idealfall auch Schmerzfreiheit erreicht werden.“
Lilie fordert Kultur des genauen Hinsehens
Kerstin Schlögl-Flierl, katholische Moraltheologin und Mitglied im Deutschen Ethikrat, sagte, es dürfe in den Pflegeheimen „keine Hoffnungsabsage“ für sterbenskranke Menschen geben. Es gehe darum, „ganz lange etwas zu tun, um Lebensgestaltung im Sterben zu ermöglichen“. Vielleicht würden katholische Pflegeheime irgendwann einmal ein „safe place“ (sicherer Ort) sein, „wo man weiß: ein Regelangebot zur Suizidbeihilfe gibt es hier nicht“.
Lilie sagte dazu, er sei vorsichtig mit dieser „Sicherer-Ort“-Diskussion. In den evangelischen Heimen müsse jeder Mensch am Lebensende „so sein können, wie er dann ist“. Es gehe darum, „dass wir Einzelfallgerechtigkeit und eine Kultur des genauen Hinsehens einüben“. (kna)