Lex Köhler
"Die Misswirtschaft unterbinden"
Schluss mit "maßvoller Ausübung der Rechtsaufsicht" über die KBV. Mit dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, das man auch kurz als "Lex Köhler" bezeichnen könnte, werden der Rechtsaufsicht Mittel an die Hand gegeben, "die Anfänge von Misswirtschaft zu unterbinden".
Veröffentlicht:BERLIN. Nach Unregelmäßigkeiten und Missständen bei den Selbstverwaltungsorganen der KBV soll der Gesetzgeber nun mit einem drakonischen Kontrollkorsett und Sanktionen reagieren; prinzipiell gilt dies auch für den GKV-Spitzenverband, seinen Medizinischen Dienst und den Gemeinsamen Bundesausschuss. Dies geht aus dem seit Freitag vorliegenden Referentenentwurf für ein "Gesetz zur Stärkung der Handlungsfähigkeit und Aufsicht über die Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der GKV" hervor.
Mit einer Ergänzung von Paragraf 78 SGB V wird der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der "maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht" für bestimmte Bereiche des Verwaltungshandelns korrigiert. Das heißt, dass das Bundesgesundheitsministerium künftig bei unbestimmten Begriffen wie Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eindeutige Vorgaben machen kann – zu Lasten eines bislang "gehörigen Bewertungsspielraums". Die Begründung benennt die Ursachen: "Ausufernde Auslegung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit". Bisherige Befugnisse der Aufsicht seien nicht ausreichend in der Lage, "die Anfänge von Misswirtschaft zu unterbinden".
Zehn Millionen Euro Zwangsgeld
Zur wirksamen Vollstreckung von Aufsichtsverfügungen kann das BMG nun ein Zwangsgeld von bis zu zehn Millionen Euro festsetzen, bislang war dies auf 25.000 Euro beschränkt.
Für den Verwaltungsbetrieb und die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben darf die KBV Rücklagen maximal in Höhe einer Monatsausgabe bilden. Neben der Prüfung der Jahresrechnung durch einen Wirtschaftsprüfer muss mindestens alle fünf Jahre oder auf Verlangen des BMG eine gesonderte Prüfung stattfinden; dies muss ein anderer Prüfer als derjenige sein, der die Jahresrechnung prüft.
Das aufsichtsrechtliche Verfahren gegen rechtsverletzende Beschlüsse der Vertreterversammlung wird gestrafft. Notfalls kann das BMG rechtswidrige Beschlüsse oder nicht gefasste Beschlüsse, die zur Umsetzung gesetzlicher Vorgaben notwendig sind, durch eigene Anordnungen ersetzen.
Zwei-Drittel-Mehrheit für KBV-Chef
Unterhalb der Ebene des Staatskommissars, der den Vorstand der KBV komplett ersetzt, wird das Institut eines "Entsandten für besondere Angelegenheiten" geschaffen. Das BMG kann ihn in die KBV schicken, um Aufsichtsverfügungen umzusetzen, Schadensersatz gegen amtierende oder ehemalige Organmitglieder zu prüfen oder den Vorstand zu unterstützen und zu überwachen, wenn die Verwaltung gefährdet ist.
Die Pflichten der Vertreterversammlung werden massiv geschärft: Die VV, aber auch jedes Mitglied kann vom Vorstand jederzeit Rechenschaft verlangen. Beschlüsse müssen nachvollziehbar begründet werden. Abstimmungen sind grundsätzlich nicht geheim. Hat eine Abstimmung haftungsrechtliche Bedeutung, muss namentlich abgestimmt werden, um jedes Mitglied individuell für Schaden haftbar machen zu können. VV-Sitzungen sind grundsätzlich öffentlich. Beraterverträge von VV-Mitgliedern mit der KBV bedürfen der Zustimmung der VV. Damit soll eine Beeinflussung von VV-Mitgliedern durch den Vorstand verhindert werden. Die Entschädigung der VV-Mitglieder muss jeden 1. März (erstmals 2017) veröffentlicht werden.
Der Vorstandsvorsitzende der KBV muss künftig von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Vertreterversammlung gewählt werden. Die "hervorgehobene Position des Vorstandsvorsitzenden erfordert eine breite Legitimation", heißt es in der Begründung. Ihm obliege die Vertretung der Gesamtinteressen der KBV-Mitglieder. Die Legitimation werde nun auf eine "verlässliche versorgungsbereichsübergreifende Grundlage gestellt".
Die beiden Vorstandsmitglieder werden zur Kooperation verpflichtet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Amtsführung von Dr. Andreas Gassen und Regina Feldmann droht das Bundesgesundheitsministerium mit dem Staatskommissar nach Paragraf 79a. Der könne auch entsendet werden, sofern "schwere Verstöße gegen das Kooperationsgebot oder die Abstimmungspflichten innerhalb des Vorstandes, die negative Auswirkungen auf die Verwaltung haben", vorliegen.