Zehn Jahre IQWiG

Die Trotzphase ist vorbei

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bekommt beim Jubiläums-Symposium viel Lob und manche Stichelei mit auf den Weg.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Seit Februar 2012 hat das Institut nach eigenen Angaben "größere Räumlichkeiten" bezogen. Sein Sitz ist seither im Kölner Mediapark.

Seit Februar 2012 hat das Institut nach eigenen Angaben "größere Räumlichkeiten" bezogen. Sein Sitz ist seither im Kölner Mediapark.

© IQWiG

KÖLN. Ist das Kind namens IQWiG mit zehn Jahren noch in der Trotzphase? Ja, glaubt man Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

"Bleiben Sie kritisch, aber fühlen Sie sich im Gesundheitssystem angekommen", sagte Spahn mit Blick auf das Selbstverständnis des IQWiG - machte eine Kunstpause und fügte hinzu: "Und verhalten Sie sich auch so."

Das IQWiG, 2004 auf Initiative der damaligen rot-grünen Bundesregierung gegründet, feierte Ende vergangener Woche in Köln sein zehnjähriges Jubiläum mit einem zweitätigen Symposium mit dem Titel: "Evidenzbasierte Versorgung: Wohin soll die Reise gehen"?

"Brauchen noch einmal einen Dialog"

Zehn Jahre IQWiG - die Schlaglichter

Anfang 2003: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kündigt ein „Zentrum für Qualität in der Medizin“ an.

Juni 2004: Professor Peter Sawicki wird zum Institutsleiter berufen.

Februar 2005: Offizielle Eröffnungsfeier des Instituts.

September 2005: Erste Nutzenbewertung mit Fokus auf Atorvastatin.

September 2010: Professor Jürgen Windeler wird IQWiG-Leiter.

Oktober 2011: Erste frühe Nutzenbewertung zu Ticagrelor.

Oktober 2011: Erste Bestandsmarktbewertung zu Gliptinen.

Die frühe Nutzenbewertung, die nach Aussagen von IQWiG-Leiter Professor Jürgen Windeler rund 30 Prozent der Ressourcen des Instituts bindet, bleibt nach Spahns Aussagen auf der Agenda.

Er stieß sich daran, dass das IQWiG beim Hepatitis C-Präparat Sofosbuvir (Sovaldi®) lediglich "Hinweise auf einen Zusatznutzen" konstatiert hat.

"Dazu brauchen wir noch einmal einen Dialog", sagte Spahn. Diskussionsbedarf sieht der CDU-Politiker auch bei der Wahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Diese dürfe sich nicht immer "daran orientieren, was am billigsten ist", forderte er.

IQWiG-Chef Windeler verwies indes darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in 75 bis 80 Prozent der Fälle den Bewertungen des Instituts folge. Vom IQWiG als einer "Innovationsbremse" könne keine Rede sein.

"Ich sehe für das deutsche Gesundheitssystem kaum Möglichkeiten, noch innovationsfreundlicher zu werden", so Windeler.

Ärztepräsident Professor Frank Ulrich Montgomery machte einen klaren Aufwärtstrend im Verhältnis zwischen IQWiG und der Bundesärztekammer aus. Es gehe sehr viel weniger konfrontativ zu als in früheren Jahren, sagte er in Köln.

Gleichlautende Positionen gebe es beispielsweise bei der Aufgabe der Bewertung des Bestandsmarkts. Eine wichtige Rolle sieht Montgomery für das IQWiG bei Früherkennungsuntersuchungen. Das Institut könne beitragen, die Debatte hierüber zu versachlichen.

Patienteninformation massiv ausbauen

Der Wissenschaftsjournalist Volker Stollorz (FAZ) hatte Lob und mehrere Wünsche für die Zukunft des IQWiG parat. Als "bleibende Leistung" wertete Stollorz den Einsatz des IQWiG für die Verfügbarkeit von Studiendaten. Zugleich mahnte er einen "massiven Ausbau" der Patienteninformation an.

Die Patienteninformation - realisiert durch das Portal Gesundheitsinformation.de - gehört zu den bisher weniger bekannten Aufgaben des Instituts. Patienten bräuchten weniger abstrakte Aufklärung, sondern mehr zuverlässiges Handlungswissen, forderte Stollorz. Für diese Aufgabe sollte das IQWiG mehr Ressourcen erhalten, forderte er.

Professor Manfred Scherer, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Hamburger UKE, ging noch weiter und forderte, das IQWiG müsse in der öffentlichen Meinungsbildung zur "Marke" werden.

Scherer, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), machte deutlich, dass er das IQWiG und die DEGAM in gleichem Fahrwasser sieht.

Scherer plädierte für einen "umfassenden Qualitätsbegriff", bei dem der Versorgungsbedarf der Patienten den archimedischen Punkt definiere. Es seien Bremsen für den "entfesselten ersten und zweiten Gesundheitsmarkt" nötig, zeigte sich Scherer überzeugt.

In diesem Kontext solle sich das IQWiG "neue Themen erschließen".

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