Kompromiss zum Health Technology Assessment
EU-Nutzenbewertung bremst nicht das AMNOG
Vorschlag der Regierungschefs: Auf EU-Ebene werden gemeinsame klinische Bewertungen erarbeitet. Das nationale Verfahren der Preisfindung für neue Arzneien bliebe unberührt.
Veröffentlicht:Brüssel. Eines der wichtigsten Gesetzgebungsprojekte auf EU-Ebene kommt voran: Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf eine gemeinsame Position zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten geeinigt. Jetzt hat die portugiesische Ratspräsidentschaft die Aufgabe, einen Kompromiss mit dem EU-Parlament zu finden, das teilweise abweichende Vorschläge zum gemeinsamen Health Technology Assessment (HTA) vorgelegt hat.
Mit gemeinsamen klinischen Prüfungen verbindet sich die Hoffnung, die gemeinsame Bewertung von Evidenz in Studien zu erleichtern, Unternehmen von Doppelarbeit zu entlasten und den Zugang von Patienten zu neuen Therapien zu beschleunigen.
Doch seit die EU-Kommission ihren ersten Vorschlag Ende Januar 2018 vorgelegt hat, entspann sich eine hitzige Diskussion darüber, ob EU-weite Bewertungen geeignet sind, nationale HTA-Verfahren zu ersetzen. Im März 2018 wehrte sich der Bundestag mit einer Subsidiaritätsrüge gegen die Harmonisierung der Nutzenbewertung.
Einige Elemente des nun vorgelegten Ratsvorschlags:
- Eine Koordinierungsgruppe aus nationalen Gesundheitsbehörden soll gemeinsame klinische Bewertungen erarbeiten. Ihre Ergebnisse beschreiben nur die vorgelegte Evidenz, die Bewertung bleibt ausschließlich Sache der HTA-Agenturen in den Mitgliedsstaaten. „Erfreulicherweise sind die positiven Aspekte des deutschen Systems mit dem vorgeschlagenen EU-Modell gut vereinbar“, kommentiert Dr. Rolf Hömke, Forschungssprecher beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Dazu zählt er den Marktzugang eines neuen Präparats ab der Zulassung sowie die Orphan-Drug-Regelung, bei der ein Zusatznutzen ab der Zulassung als belegt angenommen wird.
- Ausdrücklich sieht der Vorschlag einen Mechanismus vor, der sicherstellt, dass Unternehmen Daten und Analysen, die für die klinischen Bewertungen nötig sind, EU-weit nur einmal vorlegen müssen. Das sei wichtig, „damit wirklich keine unnötigen Doppelstrukturen aufgebaut werden“, erläutert Hömke.
- Das auf EU-Ebene formulierte Dossier darf keine abschließenden Bewertungen oder ein Ranking der gesundheitsbezogenen Outcomes enthalten, soll aber relative Effekte darstellen sowie Stärken und Schwächen der vorgelegten Evidenz beschreiben.
- Der Zeitrahmen für die gemeinsamen klinischen Bewertungen soll sich „so weit wie möglich“ anlehnen an die gemeinsame EU-weite Zulassung eines neuen Präparats. Das soll den raschen Zugang von Patienten zu neuen Produkten ermöglichen.
- Daten der Hersteller dürfen von der Koordinierungsgruppe nur dann an Dritte weitergegeben werden, wenn eine Vertraulichkeitsvereinbarung vorliegt. Werden Ergebnisse der gemeinsamen Bewertungen publiziert, müssen kommerziell sensible Informationen anonymisiert werden.