Grünen-Antrag abgelehnt
EU-Parlament gegen Pläne für strengere Antibiotika-Regeln bei Tieren
Weil kein Antibiotikum mehr bei ihnen wirkt, sterben schätzungsweise jedes Jahr 33 .000 Menschen in der EU. Um die Ausbreitung resistenter Keime aufzuhalten, sollen Tieren weniger Antibiotika verabreicht werden. Doch eine Initiative dazu scheiterte in Straßburg.
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Das EU-Parlament hat Pläne abgelehnt, fünf bestimmte Antibiotikagruppen für den Einsatz beim Menschen zu reservieren und bei Tieren weitgehend zu verbieten.
© Philipp von Ditfurth/dpa
Straßburg. Das EU-Parlament hat Pläne abgelehnt, fünf bestimmte Antibiotikagruppen für den Einsatz beim Menschen zu reservieren und bei Tieren weitgehend zu verbieten. Die Abgeordneten lehnten am Donnerstag in Straßburg ein entsprechendes Vorhaben des Grünen-EU-Abgeordneten Martin Häusling ab. Nun dürften in der EU andere Antibiotika für Tiere gesperrt werden – welche, ist unklar.
Die Bundesärztekammer kritisierte die Entscheidung scharf als vertane Chance. Tierärzte und CDU-Abgeordnete begrüßten dagegen das Votum.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Sehenden Auges steuert Europa auf Zeiten zu, in denen es keine lebensrettenden Reserveantibiotika mehr gibt.“
Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, Schlupflöcher zu schließen, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung deutlich spürbar zu begrenzen und so die menschliche Gesundheit vor der Entwicklung resistenter Erreger zu schützen. „Die Entscheidung der Abgeordneten kann unter Umständen tatsächlich Menschenleben kosten.“
„Ein ganz schlechter Tag für die Humanmedizin“
Auch Häusling sagte: „Es ist ein ganz schlechter Tag für die Humanmedizin.“ Der Grünen-Abgeordnete und der Umweltausschuss des EU-Parlaments hatten erreichen wollen, dass fünf Antibiotikagruppen vor allem Menschen vorbehalten sein sollen, aber in Ausnahmefällen an einzelne kranke Tiere verabreicht werden dürfen. Ziel war, den massenhaften Einsatz dieser Stoffe in der Tiermast zu beenden, um Antibiotikaresistenzen vorzubeugen.
Nun bleibt es bei den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission. Diese will ebenfalls Antibiotika benennen, die nur für Menschen erlaubt sein sollen. Allerdings will die Brüsseler Behörde bislang keine konkreten Stoffe nennen, die auf die Liste von Reserveantibiotika kommen sollen. Stattdessen präsentierte sie Kriterien für deren Auswahl: etwa eine hohe Bedeutung für die menschliche Gesundheit und ein „nicht-essenzieller“ Bedarf in der Tiermedizin.
Ziel ist ein möglichst restriktiver Einsatz dieser Mittel, um ihre Wirksamkeit durch sich entwickelnde Resistenzen nicht zu gefährden. Solche Resistenzen sind gefürchtet: Laut der EU-Kommission sterben jedes Jahr in der EU 33 .000 Menschen, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken.
66 Prozent aller Antibiotika für Nutztiere
Schätzungen zufolge würden weltweit 66 Prozent aller Antibiotika für landwirtschaftliche Nutztiere verwendet und nicht für Menschen, erklärte Häusling. In Mastbetrieben würden immer noch auch gesunde Tiere über Futter oder Wasser mit Antibiotika behandelt, wenn es in dem Stall kranke Tiere gebe. Resistente Keime aus den Ställen können etwa über Fleisch zum Menschen gelangen.
Welche Stoffe am Ende auf die EU-Liste der Reserveantibiotika kommen, muss die Kommission nach Angaben von Häuslings Büro bis zum 28. Januar 2022 klarstellen. Diese Mittel sollen dann aber aller Voraussicht nach wirklich nur für Menschen erlaubt sein – eine Einzelbehandlung kranker Haustiere, wie Häusling sie gefordert hatte, schloss die Kommission zuletzt aus. (dpa)