Leberspenden
Ein Münchner Verdacht-Verdacht
Die Prüfmaschinerie läuft: Nach dem Transplantationsskandal werden bundesweit alle Zentren unter die Lupe genommen - und schon gibt es erste Auffälligkeiten im Klinikum rechts der Isar. Droht ein weiterer Skandal?
Veröffentlicht:MÜNCHEN (nös). Die Antennen für die Themen Organspende und Transplantationsmedizin sind noch immer sensibel eingestellt.
Denn eine erste Zwischenbilanz der Prüfungen aller deutschen Transplantationszentren hat eine Auffälligkeit zutage gefördert - und sofort den Verdacht der Manipulation aufkommen lassen.
Betroffen ist das Klinikum rechts der Isar, das Uniklinikum der TU München. Nach einer Überprüfung der Lebertransplantationen aus den Jahren 2007 bis 2012 fanden die Prüfer "mehrere Auffälligkeiten".
Deswegen "bedurfte es der Einleitung einer Sonderprüfung", ließ die Bundesärztekammer (BÄK) als eine der Trägerorganisationen der ständigen Überwachungskommission und der Prüfkommission am Mittwochabend verlauten.
Die Klinik hatte bereits kurz nach dem Bekanntwerden der Fälle von Göttingen und Regensburg eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Abläufe in der Lebertransplantation prüfen soll. Das war am 6. August.
Alle 163 Transplantationen wurden unter die Lupe genommen. Bei Einzelnen gab es "Auffälligkeiten", teilte das Klinikum am Donnerstag mit. Bereits am 24. August habe man sowohl die BÄK als auch die Staatsanwaltschaft informiert.
Unstimmigkeiten soll es in den betreffenden Fällen bei Dialysebehandlungen und Laborwerten gegeben haben.
Erinnerungen an Göttingen werden wach: Auch dort soll der ehemalige Chefarzt der Transplantationschirurgie Laborwerte so manipuliert haben, dass seine Patienten auf der Eurotransplant-Warteliste nach oben gerutscht sind.
Die Klinik der TU München muss der Prüfungskommission nun detaillierte Fragen zu neun Fällen beantworten - um herauszufinden, ob es Manipulationen gab oder nicht.
Kritik an den bayerischen Behörden
Obwohl also noch gar keine abschließenden Details der Fälle bekannt sind, wird bereits von einem Manipulationsverdacht gesprochen. BÄK-Präsident Professor Frank-Ulrich Montgomery etwa sprach am Donnerstag von einem Anfangsverdacht.
"Es geht in etwa in die Richtung wie in Göttingen und Regensburg", sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Dem widersprach die zuständige Staatsanwaltschaft. Es gebe keinen ausreichenden Anfangsverdacht für eine Straftat, sagte ein Sprecher.
Allerdings sei die Prüfung noch nicht abgeschlossen. Ein Gutachter unterstütze die Behörde bei den Ermittlungen.
Montgomery erneuerte seine Kritik an den bayerischen Behörden. Ihn irritiere, "dass aus der bayerischen Staatsregierung vor einiger Zeit vermeldet worden war, dass man die bayerischen Programme überprüft und nicht gefunden habe", sagte er.
Für ihn steht fest, dass eine Kommission der ärztlichen Selbstverwaltung wahrscheinlich "genauer und besser prüft, als eine reine Kommission der betroffenen Ministerien".
Das Uniklinikum der TU München untersteht dem bayerischen Wissenschaftsministerium. Montgomery hatte wiederholt eine Ausweitung der staatlichen Kontrollbefugnisse abgelehnt.
Bereits im Fall möglicher Manipulationen am Uniklinikum Regensburg war Montgomery mit den Behörden im Freistaat hart ins Gericht gegangen. Damals warf er ihnen vor, trotz der vorliegenden Prüfberichte keine Ermittlungen eingeleitet zu haben.
In den Berichten der Prüfkommission war damals von ethisch fragwürdigen und ominösen Machenschaften des damaligen Regensburger Oberarzt die Rede. Er wurde 2008 der Leiter der Transplantationschirurgie in Göttingen und steht nun im Zentrum des Skandals.