Bundesrat

Entlastung in der Pflege droht zu kippen

Am Freitag berät der Bundesrat über einen Vorschlag zur Entlastung der Pflegebedürftigen in Altenheimen. Die Initiatoren befürchten, dass die Unions-geführten Länder das bereits vom Gesundheitsausschuss der Länderkammer empfohlene Konzept durchfallen lassen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Mitursächlich für steigende Eigenanteile an den Pflegekosten in Altenheimen sind die jüngsten Pflegereformen.

Mitursächlich für steigende Eigenanteile an den Pflegekosten in Altenheimen sind die jüngsten Pflegereformen.

© Jiri Hubatka / imageBROKER

BERLIN. Die Initiative von vier Ländern – unter Federführung Hamburgs – zur Entlastung von Pflegebedürftigen droht an einer Blockade der Union im Bundesrat zu scheitern. Trotz einer parteiübergreifenden Aufforderung der zuständigen Ausschüsse im Bundesrat, die Bundesregierung solle gemeinsam mit den Ländern die Finanzierungssystematik der Pflegeversicherung ändern, scheint nach jüngeren Meldungen für die Sitzung am Freitag keine Mehrheit zusammen zu kommen.

Ziel der Initiatoren ist im Kern, eine Obergrenze für die Eigenanteile einzuziehen. Die darüber hinaus gehenden Pflegekosten soll die Pflegeversicherung tragen. Bisher ist es umgekehrt. Der Beitrag der Pflegeversicherung ist gedeckelt, die Eigenanteile können steigen.

„Bundesgesundheitsminister Spahn wird in seiner reflexhaften Ablehnung des Vorschlags von den Unions-Kolleginnen und Kollegen in den Ländern gestützt“, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Mittwoch der „Ärzte Zeitung“. Dabei habe die Union selbst keinen Plan, einen sprunghaften Anstieg der Eigenanteile der Pflegebedürftigen zu verhindern, so Prüfer-Storcks.

Tatsächlich hatte Spahn die Forderung, den Eigenanteil an den Pflegekosten der Heime einzufrieren, erst auf dem Deutschen Pflegetag im März zurückgewiesen.

Die Politik selbst lässt die Eigenanteile steigen

Pikant: Für die steigenden Eigenanteile an den Pflegekosten in Altenheimen sind die Pflegereformen der vergangenen beiden großen Koalitionen mitursächlich. Rund 37 Prozent der gut 900.000 Bewohner stationärer Altenpflegeeinrichtungen können sie nicht mehr aus eigener Kraft stemmen und sind dafür auf Sozialhilfe angewiesen.

Mit einer Verbesserung der Personalsituation und der Entlohnung in der Altenpflege, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart sind, drohen die Eigenanteile von derzeit durchschnittlich 618 Euro auf mehr als 1000 Euro im Monat zu steigen, heißt es aus den Bundesländern.

Der SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hat am Mittwoch in Berlin diesen Zusammenhang bestätigt. „Wenn wir mehr Leistungen beschließen, die Tarife und die Personalschlüssel verbessern, steigt jedes Mal der Eigenanteil in der Pflege“, sagte Lauterbach.

Mit Eigenanteilen sind nicht die Kosten für Unterbringung und Verpflegung gemeint. Vielmehr handelt es sich um die Pflegekosten, die von der Pflegeversicherung nicht abgedeckt sind.

Der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik des Bundesrats hatten eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gefordert, um exponentiell steigenden Kosten in der stationären Altenpflege etwas entgegenzusetzen. Ausgegangen war die Initiative von Hamburg. Unterstützt wird sie von Berlin, Bremen und von der schwarz-grün-gelben Koalition in Schleswig-Holstein. Auch Baden-Württemberg hat Unterstützung signalisiert.

Dass etwas passieren sollte, gesteht auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus (CDU) zu: „Höhere Kosten für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen in der Pflege dürfen nicht allein von den Pflegebedürftigen geschultert werden“, sagte er am Donnerstag der „Ärzte Zeitung“. Effizienzen im System und die Finanzierung der Pflegeversicherung sollten auf den Prüfstand gestellt werden, damit die Eigenanteile von Heimbewohnern nicht durch die Decke schössen.

„Wir wollen keine populistischen Schnellschüsse, bei denen nachhaltige Konzepte zur Weiterentwicklung der Pflege oder ein konsequent verfolgter Gerechtigkeitsaspekt fehlen“, so Westerfellhaus. Es dürfe nicht allein darum gehen, das finanzielle Risiko der stationären Pflege vom Einzelnen in die Sozialversicherung zu verlagern.

Finanzierungskonzept noch nicht komplett

Bereits im März hatte der Vorsitzende im Gesundheitsausschuss des Bundestages, der Pflegepolitiker Erwin Rüddel (CDU), im Deutschlandfunk erklärt, seiner Meinung nach müssten die Eigenanteile gedeckelt werden.

Tatsächlich fehlt bislang in der Debatte ein rundes Finanzierungskonzept. Die Eigenanteile sollen ja nicht abgeschafft werden. Die Sozialhilfe würde durch das Einfrieren somit nicht entlastet. Steuerzuschüsse lassen sich kaum über das hinaus ausdehnen, was die Pflegeversicherung an versicherungsfremden Leistungen erbringt. Nach einer Bereinigung der Zahlungsverpflichtungen zwischen Kranken- und Pflegeversicherung wären das im Moment keine zwei Milliarden Euro.

Die Deckelung der Eigenanteile geht wissenschaftlich auf ein Gutachten des Sozialwissenschaftlers Professor Heinz Rothgang von der Universität Bremen zurück. Auf Initiative der Evangelischen Heimstiftung soll nun im Mai mit einem weiteren Gutachten begonnen werden, das die praktische Umsetzung der Reformen in den Blick nehmen soll.

Ergebnisse sollen im Herbst 2019 vorliegen. Rothgang selbst schlägt vor, die Finanzierungslücke durch die Eigenanteile transparenter zu machen. Dann würden Pflegezusatzversicherungen für den Einzelnen verständlicher.

Wir haben diesen Beitrag aktualisiert am 11.04.2019 um 16.50 Uhr

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