Stellungnahme

Ethikrat: Keine Sonderrechte für Corona-Geimpfte – vorerst

Sollen Menschen, die gegen COVID-19 geimpft sind, besondere Freiheiten erhalten? Der Ethikrat spricht von einer „heißen“ Debatte – und bezieht Position dazu. Das Votum wird die Debatte beeinflussen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Fingerzeig für die weitere Debatte: Die Chefin des Ethikrats, Professor Alena Buyx, lehnt Sonderrechte für Geimpfte „zum jetzigen Zeitpunkt“ ab.

Fingerzeig für die weitere Debatte: Die Chefin des Ethikrats, Professor Alena Buyx, lehnt Sonderrechte für Geimpfte „zum jetzigen Zeitpunkt“ ab.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. Mit dem Corona-Impfbeleg ins Theater? Dank Impfung auf Maske und Abstand im Supermarkt verzichten? Die Debatte über Sonderrechte für Geimpfte hat erneut Fahrt aufgenommen. Bereits im Januar, zwei Wochen nach Start der Impfkampagne, hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) gefordert, Geimpften früher den Zugang zu Restaurants und Kinos zu erlauben.

Anfang dieser Woche hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Impfen gesagt: „Okay, wer das nicht möchte, der kann vielleicht bestimmte Dinge nicht machen.“ Das könne aber erst gelten, wenn allen ein Impfangebot gemacht worden sei.

Medizinische Basis fehlt

Mit einer Ad-hoc-Stellungnahme hat sich nun der Deutsche Ethikrat in die Diskussion eingeschaltet – und sich gegen die Rücknahme von staatlichen Freiheitsbeschränkungen für Geimpfte ausgesprochen. Dies komme „zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht“, sagte die Vorsitzende des Rates, Professor Alena Buyx, am Donnerstag.

Die Rücknahme individueller Freiheitsbeschränkungen nur für Geimpfte lasse sich allenfalls dann rechtfertigen, „wenn hinreichend gesichert wäre, dass sie das Virus nicht mehr weiterverbreiten können.“ Abstandsregeln und FFP-2-Maske könnten auch Geimpften weiter zugemutet werden.

Die Sprecherin der Arbeitsgruppe Pandemie im Ethikrat, Professor Sigrid Graumann, nannte die Forderung nach Sonderrechten „wenig hilfreich“. Sie suggerierten die falsche Sicherheit, dass von Geimpften keine Infektionsgefahr ausgehe. Dafür aber fehlten bisher die Belege.

Viele empfänden Sonderrechte für Geimpfte ungerecht

Daten für die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna seien für März angekündigt. Der Impfstoff von AstraZeneca senke aktuellen Meldungen zufolge das Risiko einer Infektiosität um die Hälfte. „Von der Möglichkeit einer vollständigen Unterdrückung der Ansteckungsgefahr geht derzeit auch für andere Impfstoffe niemand aus.“

Solange nicht alle geimpft werden könnten, würden viele Sonderrechte für Geimpfte als ungerecht empfinden. Es brauche aber eine überzeugende Perspektive für die „Rückkehr zur Normalität“. Kontaktauflagen seien mit steigenden Impfraten „für alle“ zurückzunehmen.

Unterschied zwischen staatlichen und privaten Akteuren

Der Ethikrat weist allerdings auf den Unterschied zwischen staatlichen Freiheitsbeschränkungen und einer „Differenzierung nach dem Impfstatus durch private Anbieter“ hin. „Anders als der Staat sind private Anbieter prinzipiell frei darin, mit wem sie einen Vertrag schließen“, sagte Ethikrats-Vize Professor Volker Lipp.

Daher könnten sie ihre Angebote dem Grundsatz nach auf Geimpfte begrenzen. Gehe es um die gleichberechtigte Teilhabe am Leben, sollte es aber keine Ungleichbehandlung geben. Das gelte etwa für den öffentlichen Nahverkehr.

Entschließe sich aber ein Veranstalter, nach der Wiedereröffnung von Konzerthallen nur Geimpften Zutritt zu gewähren, wäre dies denkbar, so Buyx. Daraus dürfe aber „keine Impfpflicht durch die Hintertür“ werden. So könnten vor Konzertbeginn auch Schnelltests angeboten werden.

Votum wird Gang der Diskussion beeinflussen

Das Votum der Ethik-Professoren war mit Spannung erwartet worden. Es dürfte die Debatte beeinflussen. So kamen aus der Opposition umgehend Forderungen, von Sonderregeln Abstand zu nehmen. Dass derzeit von Privilegien gesprochen werde statt die Rückgabe von Grundrechten zu thematisieren, halte sie für „verfehlt“, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus.

Achim Kessler von der Linksfraktion sagte, die Frage von Sonderregeln stelle sich bei der momentanen Datenlage und dem Mangel an Impfstoffen nicht.

Unions-Politiker: „Debatte nicht aufschieben“

Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, hatte am Donnerstag im „Deutschlandfunk“ betont, zunächst sei zu klären, ob ein Geimpfter „ungefährlicher“ sei. Wenn dem so sei, dann sollte er auch „mehr dürfen“.

Das habe mit Grundrechten nichts zu tun, „sondern das hat etwas damit zu tun, dass ich mich auch lieber in einen Raum setze mit Leuten, die mich nicht gefährden als mit Menschen, die mich gefährden“, so Brinkhaus.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Timo Sorge rief dazu auf, die Debatte über Sonderrechte für Geimpfte nicht aufzuschieben, sondern sie „jetzt“ zu führen. Für ihn persönlich sei dabei klar: „Von wem erwiesenermaßen kein Risiko für sich und andere ausgeht, der sollte so frei wie möglich und mit so geringen Grundrechtseinschränkungen wie nötig leben können“, sagte Sorge am Donnerstag in Berlin.

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Kommentare
Dr. Joseph Kuhn 05.02.202107:25 Uhr

Der Begriff "Besondere Regeln" als Titel der Ethikrat-Stellungnahme irritiert, zumal im Papier selbst von der Perspektive der Rücknahme von Einschränkungen ausgegangen wird, also die Einschränkungen als die "besonderen Regeln" gelten, die beründungspflichtig sind.

Es wäre zudem gut gewesen, wenn der Ethikrat die Kriterien seiner Abwägungen explizit formuliert hätte, auch im Verhältnis Recht und Ethik. Trotzdem lohnt sich ein Blick in das Papier, die Diskussion an Schulen und in Heimen könnte es anregen.

Detlef Bertling 04.02.202115:57 Uhr

Es ist leider auch hier wie schon in vielen anderen Medien falsch dargestellt: es sind eben keine Sonderrechte, über die diskutiert wurde, sondern es sind Grundrechte, die uns allen "weg genommen" wurden, um die Pandemie eindämmen zu können! Das ist ein fundamentaler Unterschied, den es zu beachten gilt, finde ich.

Karin Domann antwortete am 04.02.202120:02 Uhr

Da stimme ich Ihnen zu. Aber das wird sich ganz von selbst regeln, wenn genug Impfstoffe für alle gibt.

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