SARS-2-CoV-Pandemie

Ethikrat fordert Wettbewerb der Ideen statt stumpfe Corona-Obrigkeit

Der Deutsche Ethikrat wendet sich gegen Basta-Argumente aus der Politik und fordert, die Menschlichkeit während der COVID-19-Extremsituation im Blick zu behalten. Über Exit-Strategien müsse schon jetzt gesprochen werden.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Den Menschen muss eine Perspektive für das Leben Danach geboten werden: Professor Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.

Den Menschen muss eine Perspektive für das Leben Danach geboten werden: Professor Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.

© Lisa Ducret / dpa

Berlin. In Österreich hat Kanzler Sebastian Kurz ein mit Terminen bis in den Mai hinein versehenes Ausstiegsszenario verkündet, das nach Ostern starten soll. In Wirtschaft und Politik auch in Deutschland werden immer mehr Stimmen laut, die ein baldiges Ende der Alltagsbeschränkungen fordern. Die Verantwortlichen in Deutschland tun sich mit einem solchen Schritt allerdings schwer. Alle Maßnahmen sollen bis mindestens 19. April bestehenbleiben. „Daran wird sich auch nichts ändern“, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Montag.

Weg vom Alles oder Nichts

Der Deutsche Ethikrat hat sich nun im Zusammenhang mit der Coronakrise gegen eine solche Form obrigkeitsstaatlichen Denkens ausgesprochen. Es sei nicht nur verantwortbar, sondern sogar geboten, den Menschen Perspektiven auf ein Danach zu eröffnen, sagte der Ethikrats-Vorsitzende Professor Peter Dabrock am Dienstag in der Bundespressekonferenz. Schon in seiner Ende März veröffentlichten Stellungnahme zur Corona-Pandemie hatte der Rat die Politik davor gewarnt, ausschließlich in Kategorien des „Ausnahmezustands“ zu denken.

„Wir müssen weg vom Alles–oder-Nichts-Denken“, forderte Dabrock. Je länger die Krise dauere, desto mehr Stimmen müssten gehört werden. Es müsse einen Ideenwettbewerb geben. Der Politik schade es nicht, zuzuhören.

Die eigentliche Herausforderung bestehe nicht darin abzuwägen, ob eher das Leben oder besser die Wirtschaft zu sichern sei. „Der Blick auf die Notwendigkeit, den an COVID-19 Erkrankten zu helfen, verleitet dazu, die Opfer des Lockdowns aus dem Blick zu verlieren“, warnte Dabrock. Wichtige Operationen würden verschoben, Präventionsuntersuchungen abgesagt, Therapien zur Überwindung psychischer Probleme oder Abhängigkeiten würden unterbrochen, Kranke und Sterbende nicht mehr so begleitet, wie es die Menschlichkeit erfordere.

Deshalb müssten die Maßnahmen, die notwendig seien, um die Zahl der schwer erkrankten Corona-Patienten unterhalb der intensivmedizinischen Kapazitätsgrenzen zu halten, je länger sie dauerten, umso mehr mit den schweren gesellschaftlichen, sozialen und psychischen Folgen des Lockdowns abgeglichen werden.

„Keine Angst vor freier Debatte“

Für eine tatsächliche Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen und des Abstandsgebotes sei es tatsächlich noch zu früh, schränkte Dabrock ein. Aber es sei nie zu früh, über Kriterien für Öffnungen nachzudenken. „Alles andere wäre obrigkeitsstaatliches Denken, das bei uns nicht verfangen sollte“, sagte Dabrock.

Besser wäre es, so der Gegenvorschlag aus dem Ethikrat, immer wieder „ehrlich und kritisch zu überprüfen, ob die Maßnahmen für alle oder für einzelne Gruppen weiterhin geeignet, erforderlich und angemessen, sprich: verhältnismäßig“ seien. Politik und Gesellschaft sollten keine Angst davor haben, viele Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen, aber auch legitimen Interessen zu Wort kommen zu lassen.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Der positive Jahresrückblick

Diese guten Nachrichten gab es 2024 im Gesundheitswesen

Leitartikel zu Impfvereinbarungen

Impfungen von der STIKO zur Regelversorgung: Zwei Schleifen zu viel

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025