SARS-CoV-2

Ethikrat rät von Immunitätsausweis „zum jetzigen Zeitpunkt“ ab

Weil bislang ein belastbarer Nachweis über Grad und Dauer einer Immunität gegen das neuartige Coronavirus fehlt, rät der Deutsche Ethikrat von der Einführung von Immunitätsausweisen ab. Gesundheitsminister Jens Spahn muss umdisponieren.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Der Ethikrat hat momentan vorgelagerte naturwissenschaftlich-medizinische Zweifel am Instrument der Immunitätsausweise gegen COVID-19.

Der Ethikrat hat momentan vorgelagerte naturwissenschaftlich-medizinische Zweifel am Instrument der Immunitätsausweise gegen COVID-19.

© Axel Bueckert / stock.adobe.com

Berlin. Schlappe für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Der Deutsche Ethikrat versagt der Einführung eines Nachweises zur Immunität gegen das neuartige Coronavirus „zum jetzigen Zeitpunkt“ die Zustimmung. Der „aktuelle naturwissenschaftlich-medizinische Sachstand“ spreche nach Auffassung aller Ratsmitglieder dagegen, heißt es in einer am Dienstag verbreiteten Stellungnahme.

Frei verkäufliche Tests zum Nachweis einer Immunität gegen SARS-CoV-2 sollten aufgrund ihrer „zweifelhaften Verlässlichkeit und des daraus folgenden Gefährdungspotenzials“ zudem strenger reguliert werden, empfehlen die Ethikexperten.

Sachstand reicht aktuell nicht aus

Die Einführung staatlich kontrollierter Immunitätsbescheinigungen wird in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern seit Monaten kontrovers diskutiert. Gesundheitsminister Spahn hatte entsprechende Pläne im Mai – auch nach Protesten des Koalitionspartners SPD – vorerst zurückgezogen und den Ethikrat um eine Stellungnahme gebeten. Das Votum des Ethikrates ist für Spahn zwar nicht bindend. Dennoch dürfte es ihm aktuell schwerfallen, seine Pläne umzusetzen.

Die Bundesregierung hatte zuletzt betont, einem Immunitätsausweis könne in einer Pandemie wie der durch COVID-19 „besondere Bedeutung“ zukommen. Das Instrument sei bereits beim Nachweis einer Masernimmunität gesetzlich geregelt. Auch sei davon auszugehen, dass sich eine Immunitätsdokumentation bei SARS-CoV-2 „grundsätzlich“ verfassungsgemäß ausgestalten lasse.

Warnung vor Zwei-Klassen-Gesellschaft

Kritiker hingegen fürchten, ein derartiger Nachweis ebne den Weg in eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ von Menschen mit und ohne Immunitätsbescheinigung. Die SPD hatte betont, ein solcher Nachweis mache nur Sinn, wenn eine Immunität nach einer durchgemachten Coronavirus-Infektion zweifelsfrei wissenschaftlich belegt sei. Derartige Nachweise fehlen aber bislang.

Was aber soll geschehen, wenn solche Nachweise vorliegen? Der Ethikrat ist in dieser Frage gespalten: Eine Hälfte der Mitglieder („Position A“) gelangt zur Einschätzung, dass dann zumindest eine „stufenweise, anlassbezogen wie bereichsspezifisch ansetzende Einführung einer Immunitätsbescheinigung unter bestimmten Bedingungen sinnvoll wäre“.

Immunitätsnachweise könnten es ermöglichen, infektionsschutzbedingte Rechtsbeeinträchtigungen zu beenden, heißt es zur Begründung. Darüber hinaus könnten die Nachweise zur Senkung der Infektionsausbreitung beitragen, „da in Situationen hoher Ansteckungsgefahr die Kenntnis einer nachgewiesenen Immunität genutzt werden kann, um die Risiken einer Virusübertragung zu minimieren“.

Für die andere Hälfte der Ratsmitglieder sprechen „praktische, ethische und rechtliche Gründe“ dafür, den Einsatz staatlich kontrollierter Immunitätsbescheinigungen abzulehnen – selbst dann, wenn Unsicherheiten mit Blick auf die Immunität ausgeräumt wären.

Würden Rechte oder Pflichten an den Status der Immunität „gekoppelt“, seien damit „ungerechte Verteilungen von Chancen, aber auch von Risiken, Belastungen und Einschränkungen“ möglich, argumentiert diese Gruppe. Personen ohne Immunitätsbescheinigung könnte etwa der Besuch einer Ausbildungsstätte verwehrt werden.

Missbrauch durch private Anbieter

Zudem könne der Nachweis von „privaten Akteuren“ missbraucht werden, was wiederum die Gefahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft berge – etwa dann, wenn der Zugang zum Kaufhaus oder zu Kultur- und Sportveranstaltungen, die Reisefreiheit oder der Abschluss eines Arbeitsvertrags nur Personen mit Immunitätsbescheinigung gewährt würde.

Ungeachtet dessen spricht sich der Ethikrat dafür aus, die Bevölkerung „umfassend“ über einen gemeinwohlorientierten Infektionsschutz und die Aussagekraft von Antikörpertests zu informieren. Infektiologische und immunologische Eigenschaften des Coronavirus seien weiter zu erforschen.

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