Selektivverträge
Experten rechnen mit Renaissance
Für die Integrierte Versorgung sollen mit dem Versorgungsstärkungsgesetz bessere Zeiten anbrechen. Fachleute gehen davon aus, dass sich das Vertragsgeschäft beleben kann.
Veröffentlicht:BERLIN. Die große Koalition versucht, mit dem Versorgungsstärkungsgesetz die Integrierte Versorgung (IV) neu zu beleben. Fachleute rechnen jetzt tatsächlich mit einer Renaissance der Integrierten Versorgung auf Basis von Selektivverträgen.
Dies wurde auf dem 11. Bundeskongress der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung am Donnerstag in Berlin deutlich.
Um die Integrierte Versorgung für die Kassen attraktiver zu machen, plant der Gesetzgeber das bisherige System zu vereinfachen. Die Verträge nach Paragraf 73a und c sowie die Strukturverträge sollen entfallen.
Den Kassen soll es erspart bleiben, die Verträge in ihren Satzungen zu berücksichtigen. Auch die Genehmigungsprozeduren durch das Bundesversicherungsamt sollen verschlankt werden.
Die Investition in eine besondere Versorgungsform muss sich auch nicht wie bisher gleich im ersten Jahr rechnen. Eine Evaluation soll erst nach vier Jahren fällig werden.
"Erfreuliche" Entbürokratisierung
Insgesamt "eine erfreuliche" Entbürokratisierung konstatierte der stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Eberhard Wille.
Für das nun anstehende parlamentarische Verfahren empfahl Wille, die Pflicht zum Abschluss von Hausarztverträgen fallen zu lassen. Wenn es sich rechne, würden die Kassen ohnehin zugreifen.
Auch die Sinnhaftigkeit der Evaluierungsvorgaben für alle Selektivverträge zweifelte der Gesundheitsweise an. Eine Evaluierung lohne sich nur bei großen Projekten.
Sonst könne die wissenschaftliche Überprüfung die Kassen teurer kommen als das Projekt selbst. Das wirke kontraproduktiv.
Nach dem Wegfall der Anschubfinanzierung für integrierte Projekte habe sich Ernüchterung breit gemacht, schreibt der Vorsitzende der DGIV, Professor Stefan Spitzer im Vorwort einer aktuellen Untersuchung des IGES-Instituts zur Integrierten Versorgung.
Die hohen Erwartungen an die IV als kreative Alternative zur Regelversorgung seien nicht erfüllt worden.
In der Regelversorgung zur Selbstverständlichkeit geworden
Tatsächlich ist in den Jahren seit 2004 die Integrierte Versorgung auch in der Regelversorgung zur Selbstverständlichkeit geworden.
Darauf wies IGES-Chef Professor Bertram Häussler hin. Als Beispiele nannte er die Palliativversorgung, die Medizinischen Versorgungszentren und das ambulante Operieren.
In der IGES-Umfrage bewerteten die Kassen und die Industrie die bisherige Geschichte der IV eher negativ. Die erhoffte Funktion als Innovationstreiber habe sie nicht übernommen.
Bei den Ärzten in Praxis und Krankenhaus sieht das Bild etwas positiver aus. Für die Leistungserbringer sind die Erfahrungen mit der IV ein "langsamer Lernprozess".
Dass praktisch niemand an die Zunahme populationsbezogener Modelle wie "Gesundes Kinzigtal" glaubt, ist als Ergebnis der Umfrage besonders bemerkenswert.
Die IGES-Autoren kommen zu dem Schluss, dass für die IV realistische Ziele definiert werden müssten. Zudem sei es wichtig, die IV auf die Pflege auszuweiten und eine Quersubventionierung zwischen den Sozialgesetzbüchern möglich zu machen.