Feldmanns Schlachtplan

Dickes Arbeitspaket und viele Pläne: Die neue KBV-Vize Regina Feldmann hat sich hohe Ziele gesteckt. Im Kampf gegen den Hausarztmangel will sie sich die Bürokratie und den EBM vorknöpfen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Ihre Aufgabe sei so simpel wie groß. Es gehe darum, die hausärztliche Versorgung zu sichern.

Die Jobbeschreibung stammt von Regina Feldmann selbst, die als neuer KBV-Vorstand für die Hausärzte am Dienstag vorgestellt wurde.

"Bauchschmerzen" habe sie, wenn sie sehe, wie immer weniger junge Mediziner die Facharztprüfung Allgemeinmedizin ablegten.

Seit 2001 sei die Zahl der Absolventen um 75 Prozent gesunken. Nur noch 44 Prozent der Vertragsärzte seien heute Hausärzte.

Feldmanns Ziel ist die Nachwuchsförderung

Vor zehn Jahren habe es noch in etwa gleichviel Haus- und Fachärzte gegeben, sagt Feldmann in ihrer ersten Pressekonferenz in Berlin.

Ihr Ziel sei es, mehr Nachwuchsmediziner für den Beruf des Hausarztes zu begeistern. Ein neuer auf die Realitäten der Hausarztpraxis zugeschnittener EBM und weniger Bürokratie sollen den Weg dorthin ebnen.

Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zufolge sank die Zahl der Hausärzte von 2002 bis 2011 um 2404. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Fachärzte um 7245.

"Dies zeigt deutlich, wie der zunehmende Grad an Spezialisierung zulasten der allgemeinmedizinischen Grundversorgung geht", warnt Feldmann.

Und das sei fatal, weil die demografische Entwicklung den Hausarzt als Koordinator vor Ort erfordere.

Hausärzte seien die geborenen Versorgungsmanager an der Schnittstelle zwischen Grundversorgung, Pflege, Palliativmedizin und geriatrischen Einrichtungen.

Darauf müsse sich die Aus- und Weiterbildung künftig konzentrieren. Um das Interesse am Hausarztberuf wiederzubeleben, will sich Feldmann für eine neue Struktur der Vergütung stark machen.

Nicht nur Pauschalen

"Wir müssen nicht nur sprechende Medizin, sondern auch die koordinierende Medizin fördern", schlägt Feldmann vor. Der sozialmedizinische Anteil der hausärztlichen Tätigkeit steige.

Irgendwann sei ein alter Mensch einfach ausdiagnostiziert. "Dann kommt es darauf an, um ihn herum das Umfeld zu organisieren", sagt Feldmann.

Die Koordinierung enthalte nicht nur den Kontakt zum Patienten, sondern auch den zu Betreuern, Angehörigen, Pflegeheimen.

"Da finden Sie keine Nummer dafür im EBM, die der Hausarzt abrechnen kann, obwohl das sehr zeitaufwändig ist", ereifert sich die neue KBV-Frontfrau.

Der neue EBM müsse daher die sozialmedizinischen Aufgaben, die Koordinierungsfunktionen und die geriatrische Betreuung klar abbilden.

Mit einer nebulösen sozialmedizinischen Pauschale will sich Feldmann nicht abspeisen lassen. Es werde Pauschalen geben, die Titel trügen wie "Koordinierung mit Pflegeheim" oder "Koordinierung von Betreuungsaufgaben".

Die KBV setzt Kampf gegen Bürokratie auf die Agenda

Soviel Pauschalierung sei nötig, weil es sich dabei nicht um eine Einzelleistung wie ein EKG handele.

"Wir wollen aber keine Pauschale, die alles unterbuttert, die das Leistungsgeschehen in der Hausarztpraxis nicht abbildet", steckt Feldmann ihr Verhandlungsziel ab.

Vorbilder könnten die Hausarztverträge in Bayern und Baden-Württemberg sein, die Koordinierungsaufgaben von Hausärzten ansatzweise bereits in den Vergütungen berücksichtigten.

Das größte Ärgernis in den Praxen ist die Bürokratie. Das geht aus den Ergebnissen einer Umfrage der KBV hervor.

"Alle Reformen werden nichts nützen, solange Ärzte und Psychotherapeuten das Gefühl haben, dass das, was ihnen vor allem fehlt, Zeit für ihre Patienten ist", ergänzt KBV-Chef Andreas Köhler.

Hausärzte sind aufgrund ihrer Schnittstellen besonders von der Formularflut betroffen. Ansetzen will Regina Feldmann vor allem bei der Bearbeitung von Anträgen auf Rehabilitation und von Versorgungsansprüchen.

Diese würden vom Patienten angestoßen, und die Ärzte seien dann in der Pflicht, für die Kostenträger tätig zu werden.

Stringente Politik für die Allgemeinmedizin

Als ehemalige KV-Vorsitzende von Thüringen (2005 bis 2012) weiß Regina Feldmann, was Ärztemangel ist: In ihrer Heimat-KV hat sie dies hautnah erlebt.

Und darauf pragmatisch reagiert: Gemeinsam mit der Landesregierung hat sie eine Stiftung zur Förderung der ambulanten Versorgung eingerichtet, die unter anderem Stipendien vergibt.

Über die gleiche Stiftung betreibt die KV inzwischen Eigeneinrichtungen, in denen junge Ärzte übergangsweise als Angestellte arbeiten können - mit der längerfristigen Option, in die eigene Niederlassung zu gehen.

Als KBV-Vorstand für den hausärztlichen Versorgungssektor hat Feldmann nun bundesweit den Nachwuchsmangel an Allgemeinärzten im Visier.

Die 59-jährige Allgemeinärztin hat sich in ihrer bisherigen Arbeit als beinharte Verhandlerin erwiesen.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 18.07.201218:51 Uhr

Hausärztliches Aufatmen!

Die Zukunft der Medizin ist Weiblich - dies stammt nicht von mir, aber es stimmt! Endlich packt die Kollegin Regina Feldmann, trotz aller Querelen immerhin von der Mehrheit der Vertreterversammlung (KV-VV) in den KBV-Vorstand gewählt, die drängenden und von ihrem Vorgänger liegengelassenen Probleme an.

Und sie formuliert als Allgemeinärztin Ziele bzw. arbeitet an einer Hausärztlichen Agenda. Nach der bürokratischen Verwaltung des Mangels, EBM-Pseudoreformen, lächerlichen Regelleistungsvolumina (RLV), Pauschalierung, Regressierung und "Redressierung", gibt es endlich einen Plan.
• Versorgungssicherung und Sicherstellungsauftrag
• Vertragliche Allgemein- und Hausarztstärkung
• Bürokratieabbau und Adhärenzverbesserung
• Nachwuchsförderung in Aus- und Weiterbildung
• Koordination, Kooperation und Kommunikation
• Familienorientierte Allgemeinmedizin ("family medicine")
• Qualifizierte Sozialmedizin "von der Wiege bis zur Bahre"

Ich wünsche meiner Kollegin Tatkraft, Entschlossenheit, Zielsicherheit, Umsetzungs- und Durchsetzungsfähigkeit in dieser bisher zu stark männerdominierten, alpha-Tier geprägten Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Dirigieren statt Imponieren!

Mf+kG, Dr. med Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Florian Baier 17.07.201221:45 Uhr

Facharzt für Bürokratie

Man sollte den jungen Leuten einfach ganz offen und ehrlich sagen, daß man als Hausarzt eben eine gewisse Vorliebe für Regelungen, Gesetze, Vereinbarungen und Formblätter haben sollte, etwas so ähnlich wie Amtsärzte, Sozial- und Arbeitsmediziner.
Vielleicht finden sich dann die Richtigen für diesen Job.
Um das Labyrinth der Verrdnungsausschlüsse und Heilmittelvereinbarungen sowie die Abrechnung eingiermaßen zu beherrschen, braucht man allermindestens 5-6 Jahre.
Es ist unehrlich, den Jungärzten zu sagen, sie könnten einfach mal so eine Hausarztpraxis mit 1000 Scheinen eröffnen. Der Papierwust wird sie fertig machen. Und sie merken inzwischen auch daß man ihnen mit dem Zweckoptimismus der HA-Förderungsprogramme etwas vormacht.

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