"Kodierberatung"

Finger weg, Ärzte!

Versuche des Upcodings durch Ärzte stellen keine rechtliche Grauzone dar, sie sind eindeutig unzulässig, betont die Regierung.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Die "Kodierberatung" von Ärzten durch Krankenkassen ist unzulässig. Es handelt sich dabei nicht um eine "zugelassene Aufgabe der Krankenkassen", stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken im Bundestag fest.

"Kodierberatung" haben einzelne Kassen in der Vergangenheit mit dem Ziel betrieben, dass Ärzte mehr Diagnosen stellen, die für den Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den Kassen relevant sind. Bei Ärzten, die sich an einem solchen Upcoding beteiligen, könne ein solches Verhalten "ein berufsrechtlich relevantes Verhalten darstellen". Denn Ärzte dürften nicht "das Interesse Dritter über das Wohl der Patienten stellen".

Auch die nachträgliche Korrektur von Diagnosen unter Berufung auf Abrechnungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen nennt die Regierung "unzulässig". Erst kürzlich hat die AOK Rheinland-Hamburg ihre Klage vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) zurückgezogen, mit der sie eigentlich einen Bescheid des Bundesversicherungsamts (BVA) anfechten wollte. Die Aufsichtsbehörde hatte von der Kasse sieben Millionen Euro an Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zurückgefordert. Dabei ging es im Zusammenwirken mit den beiden KVen in NRW um den Versuch, die Diagnosen von AOK-Versicherten nachträglich zu verändern.

Seriös lasse sich nicht schätzen, in welchem Umfang Mittel des Gesundheitsfonds in der Vergangenheit durch derartige "Kodierberatungen" beeinflusst worden sind. Allerdings gebe es keinen Automatismus, dass eine zusätzliche Diagnose auch zu einer höheren Zuweisung an eine Kasse führt, erklärt die Regierung. Denn in vielen Fällen reiche die Kodierung einer Erkrankung auch unter Angabe ihres Schweregrades nicht aus. Für rund ein Drittel der Diagnosecodes im RSA sei zusätzlich gleichzeitig eine spezifische Arzneimittelverordnung erforderlich.

Insgesamt erkennt die Regierung auf Basis der Daten des BVA "keine Anhaltspunkte für ein flächendeckendes Upcoding". Damit widerspricht sie Aussagen von Dr. Jens Baas, Vorstandschef der Techniker Kasse, der der Mehrzahl der Kassen attestiert hatte, sich am "Schummeln" zu beteiligen.

Dass Kassen wegen solcher Praktiken an die Kandare genommen werden, ist bisher die Ausnahme. Seit dem Jahr 2010 hat das BVA gegen elf Kassen Rückzahlungen durchgesetzt, die sich auf 30 Millionen Euro addiert haben. Enthalten sind darin auch Fälle, in denen Softwarefehler bei einer Kasse die Ursache für falsche Datenmeldungen waren.

Generell gilt nach Angaben der Regierung, dass das Volumen der an das BVA übermittelten Diagnosen seit 2009 "kontinuierlich leicht zunimmt". Augenfällig ist allerdings, dass die Zahl der zuweisungsrelevanten Diagnosen um jährlich 4,6 Prozent gestiegen ist, die der nicht-ausgleichsrelevanten Diagnosen nur um drei Prozent pro Jahr. Pauschale Schlussfolgerungen aber seien aus methodischer Sicht schwierig: Jedes Jahr ändert sich die Auswahl der im RSA berücksichtigten Krankheiten und auch das Versichertenklassifikationsmodell wird fortgeschrieben, betont die Regierung.

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