Public-Health-Experten

Forscher richten den Fokus auf indirekte Folgen der Pandemie

Was machen der Lockdown und die Rezession mit der Gesundheit der Menschen? Wissenschaftler lenken den Blick auf die indirekten Gesundheitsfolgen von COVID-19.

Von Florian Staeck Veröffentlicht:

Berlin. Wissenschaftler des Anfang April gegründeten Kompetenznetzes Public Health zu COVID-19 mahnen, die indirekten Folgen des Lockdown im Zuge der Corona-Pandemie stärker in den Blick zu nehmen.

Zwar gebe es ein großes Risikobewusstsein für die akuten Gefahren durch COVID-19, heißt es in einem Hintergrundpapier von zwölf Autoren der Arbeitsgruppe „Indirekte Gesundheitsfolgen von Maßnahmen des Infektionsschutzes“. Hingegen würden „gesundheitliche Risiken, die diffus in Raum und Zeit verteilt sind, häufig unterschätzt und nur wenig kommuniziert, auch wenn sie zu einer hohen Zahl an Todesfällen führen“.

Die Wissenschaftler verweisen vor allem auf drei potenzielle Effekte:

  • Gesundheitliche Folgen steigender Arbeitslosigkeit oder steigender prekärer Beschäftigung: Gut belegt in Studien sei die Verbindung von Arbeitslosigkeit und erhöhter Mortalität sowie verringerter Lebenserwartung ebenso wie die gesundheitlichen Folgen einer erhöhten Arbeitsplatzunsicherheit. Wegen dieser gesundheitlichen Risiken komme finanzieller Unterstützung mit dem Ziel, zeitweise Arbeitslosigkeit zu überbrücken, „höchste Priorität“ zu.
  • Verschärfung sozialer Ungleichheit der Gesundheit: Angesichts der ohnehin starken Unterschiede in Deutschland – so ist die Lebenserwartung von Männern mit geringem Einkommen um durchschnittlich 8,6 Jahre niedriger als die von wohlhabenden Männern – fürchten die Wissenschaftler eine zusätzliche Belastung von Menschen, die bereits gesundheitlich benachteiligt sind. Obwohl es noch keine verlässlichen Zahlen gebe, „wer den ‚höchsten Preis’ für die Maßnahmen“ zahlt“, müsse von einer „Verschärfung sozialer Ungleichheiten bei der Gesundheit ausgegangen werden“.
  • Folgen für die soziale Gesundheit: Die Autoren warnen, angesichts der weltweiten Rezession könnten sich politische Prioritäten zu Lasten des Umwelt- und Klimaschutzes verschieben. Erste Hinweise dafür gebe es aus den USA, wo die Überwachung von Luftschadstoff-Emissionen zur „Entlastung“ der Wirtschaft eingestellt wurde. Die langfristigen Gefahren – und Chancen – für den umweltbezogenen Gesundheitsschutz unter den Bedingungen der Rezession sollten daher bei der Auflage von Konjunkturpaketen und Staatshilfen beachtet werden.

Das Kompetenznetz Public Health hat sich zum Ziel gesetzt, schnell und flexibel interdisziplinäre Expertise zu COVID-19 für die aktuelle Diskussion und Entscheidungsfindung zur Verfügung stellen. Das Netz ist ein Ad-hoc-Zusammenschluss von rund 25 Fachgesellschaften und Verbänden aus dem Bereich Public Health. Diese vertreten nach eigenen Angaben mehrere tausend Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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