Nutzenbewertung
GBA-Chef will Vorfahrt für Lebensqualität
Bei der Nutzenbewertung schneiden Präparate kaum besser ab, wenn die Lebensqualität der Patienten steigt. Das will GBA-Chef Hecken ändern.
Veröffentlicht:FULDA/BERLIN. GBA-Chef Professor Josef Hecken will die gesundheitsbezogene Lebensqualität in den Mittelpunkt der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel rücken.
Die Frage nach der Lebensqualität führe im AMNOG-Verfahren noch immer "ein stiefmütterliches Dasein", sagte Hecken bei einer Tagung des "Frankfurter Forums für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen" in Fulda.
Die zentrale Frage, wie es dem Patienten gehe, werde bislang kaum beantwortet, monierte Hecken. "Das können wir angesichts der zunehmenden Multimorbidität der Patienten so auf Dauer nicht hinnehmen", sagte der GBA-Chef.
Er werte die Lebensqualität von Patienten in der letzten Lebensphase höher als eine marginale Verlängerung der Lebenszeit, stellte der Jurist klar.
Schrittinnovationen
Bei vielen der bewerteten neuen Präparate handele es sich um Schrittinnovationen, bei denen eine geringfügig längere Lebenszeit mit "erheblichen zusätzlichen Einbußen der Lebensqualität erkauft werden", zeigte sich Hecken überzeugt.
Er wolle das Thema auf die politische Agenda heben, in welcher Form "Lebenszeitverlängerung und Nachteile bei der Lebensqualität saldiert werden sollen", kündigte der GBA-Chef an.
Er kritisierte, in der Vergangenheit hätten Hersteller schon beim Design der Zulassungsstudien darauf verzichtet, Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu erheben. Man dürfe den Verdacht äußern, dass dies geschehen sei, um Nachteile bei der Zuerkennung des Zusatznutzens zu verhindern.
Vor allem bei Orphan Drugs fehlten "regelhaft" Daten zur Lebensqualität. Das müsse sich ändern, forderte Hecken und kündigte an, fehlende Daten würden sich künftig "negativ auf die Gesamtbewertung" auswirken.
Wenn der GBA gemeinsam mit Zulassungsbehörden Hersteller berate, laute die Aufforderung stets: "Bringt belastbare Daten zur Lebensqualität bei!"
Oft enttäuschende Erfahrung mit AMNOG
Allerdings haben Pharma-Unternehmen bisher oft enttäuschende Erfahrungen mit der Anerkennung ihrer Daten im AMNOG-Verfahren gemacht - etwa wegen einer vermeintlich zu geringen Rücklaufquote von Fragebögen.
Hier ergeben sich in der letzten Lebensphase von Patienten methodische Probleme: Diese sind oft nicht mehr in der Lage, Fragebögen auszufüllen, sodass die Rücklaufquote oft bei 50 oder 60 Prozent liegt. Er sei offen dafür, "Bewertungen durch Dritte - Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige - ergänzend hinzuzuziehen", so Hecken.
Der GBA-Chef verwies dabei auf ein im Rahmen des Innovationsfonds ausgeschriebenes Projekt. Forscher sollen dabei der Frage nachgehen, wie Mischformen direkter und indirekter Befragungen aussehen können.