Erstes Quartal 2021
GKV-Ausgaben fahren Achterbahn
Die AOK im Minus, Überschüsse bei den Ersatz- und Innungskassen: Sondereffekte prägen die GKV-Finanzergebnisse zum Jahresbeginn. Alle Kassenmanager erwarten im Jahresverlauf deutlich steigende Leistungsausgaben.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Die Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenkassen fahren im ersten Quartal dieses Jahres Achterbahn. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Kassenverbände hervor, die der „Ärzte Zeitung“ vorliegen.
Demnach weist die AOK-Familie nach den ersten drei Monaten ein Defizit von 563 Millionen Euro aus (Vorjahresquartal: -435 Millionen Euro). Ganz anders bei den Ersatzkassen: Dort steht ein Überschuss von 435 Millionen Euro in den Büchern (Vorjahresquartal: -542 Millionen Euro).
Auch die Innungskrankenkassen schließen das erste Quartal mit einem Plus in Höhe von rund 49 Millionen Euro ab (Vorjahresquartal: rund -99 Millionen Euro). Die Kassen des BKK-Dachverbands haben demgegenüber ein Defizit von 62 Millionen Euro in den Büchern stehen – hier fehlen aber noch die Zahlen einer BKK. Zusammen mit dem ebenfalls negativen Quartalsergebnis der Knappschaft von rund 20 Millionen Euro zeichnet sich im ersten Quartal ein GKV-weites Defizit von rund 160 Millionen Euro ab.
Pandemie bremst Leistungsnachfrage
Das Ergebnis verdankt sich gegenläufigen Sondereffekten, die sich teils überlagern. „Einerseits bremst die Pandemie weiterhin die Inanspruchnahme von Leistungen“, sagt Martin Litsch, Vorsitzender des AOK-Bundesverbands. Der Ausgabenanstieg falle daher mit 1,6 Prozent entsprechend moderat aus. In den Leistungsbereichen Krankenhaus, Arzneimittel, Hilfsmittel und Prävention sinken die Ausgaben sogar im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Andererseits schlägt das Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (GPVG) erstmals in die Bilanzen durch. Darin werden Kassen mit hohen Rücklagen zur Kasse gebeten – sie müssen diese um zwei Drittel abschmelzen, und zwar dann, wenn die Rücklagen über dem Grenzwert von 40 Prozent einer durchschnittlichen Monatsausgabe liegen. Davon, so Litsch, sei die AOK-Gemeinschaft besonders stark betroffen und habe im ersten Quartal allein über eine Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds abführen müssen.
Ersatzkassen führen 575 Millionen Euro ab
Bei den Ersatzkassen fällt diese Vermögensabgabe mit rund 575 Millionen Euro im ersten Quartal um rund die Hälfte geringer aus. Allerdings überstiegen im Fall der vdek-Familie insgesamt die ausgabenmindernden Effekte die einnahmemindernden Faktoren.
Denn auch hier sinken die Ausgaben teilweise sogar unter das Niveau des Vorjahresquartals. Bei Krankenhäusern liegen sie um 2,84 Prozent niedriger als in den ersten drei Monaten 2020. Regelrecht eingebrochen sind die Ausgaben für Vorsorge und Rehabilitation – mehr als 17 Prozent niedriger als im ersten Quartal 2020. Über alle Leistungsbereiche ergibt sich bei den Ersatzkassen ein Anstieg der Ausgaben von 2,28 Prozent – etwas höher als bei der AOK-Familie.
Starker Anstieg bei Ärztehonoraren
Aber es gibt nach Darstellung des vdek auch Ausnahmen: Dann nämlich, wenn der Gesetzgeber eingreift: So ergebe sich vor allem durch das Terminservicegesetz (TSVG) bei Ärztehonoraren ein stark überproportionaler Anstieg von rund 8,7 Prozent.
Beeinflusst wird das Ergebnis zudem durch die Ausgaben für Labortests bei symptomatischen Versicherten. Auch beim Zahnersatz – durch das TSVG wurden die Festzuschüsse erhöht – steht nach drei Monaten eine überdurchschnittliche Steigerung der Leistungsausgaben in den Bilanzen.
Ähnlich fällt die Bewertung des IKK-Verbands aus: Die verminderte Inanspruchnahme von Leistungen im Lockdown gebe den Innungskassen nur eine „Atempause“. Mit dem Wegfall der Beschränkungen seien auch wieder steigende Ausgaben zu erwarten, so eine Sprecherin. „Das erwartete finanzielle Defizit für die kommenden Jahre hat sich bestenfalls etwas verkleinert“, lautet die Einschätzung.
Kassen wollen Planungssicherheit
Einig sind sich die Kassenverbände, dass das Quartalsergebnis in keiner Weise aussagekräftig ist für das Gesamtjahr 2021. Für Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, ist der vom Bundeskabinett um sieben Milliarden Euro erhöhte Steuerzuschuss „dringend angezeigt“.
Anfang September müsste der endgültige Steuerzuschuss für 2022 auf Basis der bis dann vorliegenden Zahlen festgelegt werden. „Nur dann können die Haushalte der Krankenkassen zeitgerecht aufgestellt und weitere Belastungen für Versicherte und Arbeitgeber vermieden werden“, so Elsner.
Für AOK-Vorstand Martin Litsch bleiben die finanziellen Perspektiven für 2022 „düster“. Zu rechnen sei GKV-weit mit einem Defizit von über 17 Milliarden Euro. Solle der Zusatzbeitragssatz auf maximal 1,3 Prozent begrenzt werden, dann reiche die Erhöhung des Bundeszuschusses um sieben Milliarden Euro dafür nicht aus, warnte Litsch.