SARS-CoV-2-Pandemie
Geplanter Stopp für kostenlose Corona-Schnelltests stößt auf Widerstand
Oppositionsparteien im Bundestag warnen vor einem verfrühten Aus der Bürgertests auf Corona. Diese seien für eine verlässliche Testinfrastruktur im Kampf gegen die Pandemie weiter unverzichtbar.
Veröffentlicht:Berlin. Grüne, FDP und Linke haben vor einem übereilten Aus der kostenlosen Corona-Schnelltests gewarnt. Kritik an den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), das Angebot der Bürgertests Mitte Oktober 2021 auslaufen zu lassen, kam auch von Sozialverbänden. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Maria Klein-Schmeink sagte der „Ärzte Zeitung“ am Donnerstag, man dürfe beim Testen nicht nachlassen. Daher sei es auch „absolut verfrüht, das Angebot der Bürgertests wegfallen zu lassen. Wir brauchen einfach eine verlässliche Testinfrastruktur.“
Sie könne nicht erkennen, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit einer schlüssigen Teststrategie eine erreichbare Testinfrastruktur sicherstellen wolle, wenn Schnelltests ab Mitte Oktober kostenpflichtig würden. „In diesem Fall wird die Nachfrage sofort und massiv einbrechen“, sagte Klein-Schmeink.
Praxen als einzige Teststationen? „Keine gute Idee!“
Die Testungen allein über Verträge mit Ärzten oder Apotheken regeln zu wollen, stelle keine Alternative dar, sagte die Grünen-Politikerin. „Zumal die Arztpraxen im Herbst ohnehin überrannt werden. Sie dann auch noch zur einzigen Teststation zu machen, ist keine gute Idee“. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, rief Gesundheitsminister Spahn dazu auf, „die Testmöglichkeiten weiterhin kostenlos zur Verfügung zu stellen“.
Spahn hatte in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestags am Mittwoch erklärt, dass Schnelltests für Menschen ab Mitte Oktober wohl nicht mehr kostenlos angeboten würden. In einem Bericht hatte das BMG darauf hingewiesen, dass inzwischen allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könne. Die dauerhafte Kostenübernahme für alle Tests sei daher nicht „angezeigt“.
Milliardenschwere Testkosten
Laut einem Bericht der „Rheinischen Post“ vom Donnerstag haben die Bürgertests den Bund in diesem Jahr bereits rund 3,7 Milliarden Euro gekostet. Das Bundesgesundheitsministerium verwies auf Anfrage der Zeitung auf Berechnungen des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS).
Demnach zahlte der Bund im Jahr 2021 für Leistungen der Labordiagnostik 782 Millionen Euro, an Sachkosten für die Antigen-Schnelltests (PoC-Verfahren) 1,084 Milliarden Euro und für weitere Leistungen gemäß Testverordnung – dem Bericht zufolge etwa die Abstrichnahmen – knapp 1,75 Milliarden Euro. Zusätzlich zahlte der Bund rund 74 Millionen Euro für Tests in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und in Obdachlosenunterkünften.
Der FDP-Gesundheitspolitiker und Infektiologe Professor Andrew Ullmann, sagte der „Ärzte Zeitung“ am Donnerstag, keiner könne derzeit vorhersagen, wie sich die Pandemie weiterentwickele. „Fakt ist: Die Durchimpfung der Bevölkerung reicht noch nicht, um uns vor einer vierten Welle zu schützen.“ Es könne immer noch zur Überforderung des Gesundheitssystems kommen. „Da ist noch sehr viel im Fluss.“
Daher sollte es zunächst weiterhin kostenlose Bürgertests geben – zumal Tests ein probates Mittel im Kampf gegen die Pandemie seien, betonte Ullmann. „Klar ist aber auch: Mittel- bis langfristig kann es die Testungen nicht mehr gratis geben.“
VdK: Familien könnten Freizeitangebote nicht mehr wahrnehmen
Den Fortbestand kostenloser Bürgertests mahnte auch der Sozialverband VdK an. Die Teilnahme am öffentlichen Leben dürfe nicht nur Geimpften und Genesenen vorbehalten sein, erklärte der Verband am Donnerstag. Der Besuch eines Kinos oder Restaurants müsse weiter auch mit aktuellem negativen Test möglich sein.
Nach wie vor sei kein Impfstoff für Kinder unter 12 Jahren zugelassen. Und für Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren läge bisher nur eine eingeschränkte Empfehlung der Ständigen Impfkommission vor. Würden kostenlose Tests abgeschafft, könnten Familien viele Freizeitangebote nicht wahrnehmen. (mit dpa)