Umstrittene Web-Videos
Giffey-Ministerium verteidigt „Ehrenpflegas“
Millionenfach gesehen, von Verbänden kritisiert: Das Familienministerium hält an seiner Internetserie „Ehrenpflegas“ fest. Damit ließen sich Jugendliche für die Pflege gewinnen – und das zähle.
Veröffentlicht:Berlin. Trotz zahlreicher Protestnoten von Pflegeverbänden hält das Bundesfamilienministerium an seiner Internetserie „Ehrenpflegas“ fest. Seit Start der Minireihe vor gut einem Monat seien die fünf Folgen insgesamt mehr als 3,5 Millionen Mal im Web aufgerufen worden, schreibt das von Franziska Giffey (SPD) geführte Ministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. Die Antwort liegt der „Ärzte Zeitung“ vor.
Eine begleitende Umfrage habe ergeben, dass „Ehrenpflegas“ von der Zielgruppe der 14- bis 25-Jährigen positiv wahrgenommen werde, schreibt das Ministerium. 74 Prozent hätten die Serie als gut oder sehr gut eingestuft. 84 Prozent zeigten sich überzeugt, dass die Serie helfen könne, „junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege zu interessieren“.
„Ich chill‘ mit Alten und so“
Die knapp 700.000 Euro teure Serie „Ehrenpflegas“ ist Teil der vom Familienministerium gestarteten Kampagne „Mach Karriere als Mensch“. Die über „YouTube“ und andere soziale Medien ausgestrahlte Serie erzählt die Geschichte dreier Jugendlicher, die die generalistische Pflegeausbildung beginnen. Einer der Protagonisten, Boris, stellt sich so vor: „Ich gehe 1. Klasse – 1. Klasse Pflegeschule. Pflegeschule nicht wie Förderschule. Ich brauche nicht Hilfe beim Essen, sondern ich lerne, wie man hilft, dass andere essen und so. Ich chill dann mit Alten und Kranken und so.“Pflegeverbände hatten auf diese Art der Darstellung des Pflegeberufs mit Entsetzen reagiert. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe etwa hatte erklärt, „Ehrenpflegas“ verletze Selbstverständnis, Ethos und Fachlichkeit der Pflegebeschäftigten.
Ministerium: Positives Bild gezeichnet
Das Giffey-Ministerium weist das zurück. „Die Miniserie zeigt trotz des bewusst unterhaltsamen Ansatzes die Vorteile der neuen Berufsausbildung auf und zeichnet ein positives Bild des Berufsfelds“, wird betont. Dass es in der Pflege einer hohen Fachlichkeit und eines hohen Berufsethos bedürfe, werde dadurch nicht infrage gestellt.
Ziel der im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“ (KAP) gestarteten Ausbildungsoffensive sei es, die generalistische Pflegeausbildung bekannt zu machen und die Zahl der Auszubildenden bis 2023 um mindestens zehn Prozent zu steigern. Die Miniserie sei ein Baustein dieser Bemühungen, schreibt das Ministerium.
Pflegevertreter dürfte das kaum beruhigen. Der Unmut in der Szene ist nach wie vor groß. Die Präsidentin des Verbands der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), Gabriele Müller-Stutzer, appellierte an Familienministerin Giffey, die Serie „Ehrenpflegas“ umgehend aus dem Netz zu nehmen. „Die Therapie wirkt nicht, wo sie wirken soll und hat zu viele ungewollte Nebenwirkungen“, schreibt die Generaloberin in einem offenen Brief an Giffey.
Die mit der Serie adressierte Zielgruppe bringe „weder die richtige Einstellung noch ein adäquates Bildungsniveau“ mit, um der Verantwortung in der professionellen Pflege gerecht zu werden, so Müller-Stutzer. Der Bundesverband Pflegemanagement distanzierte sich ebenfalls. Die Webkampagne sei wenig geeignet, den Fachkräftemangel zu beheben.
FDP: „Kein Bewusstsein für Fehlverhalten“
„Viel zu spät hat die Bundesregierung erkannt, dass der Pflegeberuf systemrelevant ist, die Attraktivität aber gesteigert werden muss“, kritisierte auch der kinder- und jugendpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Matthias Seestern-Pauly. Anstatt Rahmenbedingungen zu verbessern, „verballhornt sie den Pflegeberuf“.
Es grenze an Arroganz, dass die Regierung keinerlei Bewusstsein für ein Fehlverhalten zeige und sich stur hinter angeblich positiven Zahlen von Klicks verstecke, sagte Seestern-Pauly. In der wegen Corona hochbelastenden Zeit für Pflegekräfte zeige die Koalition mit den „Ehrenpflegas“ lediglich: „Nicht einmal Applaus bekommt sie hin.“