DAK-Pflegereport

Grundlegend neue Pflegefinanzierung gefordert

Trotz Pflegeversicherung müssen immer mehr Senioren steigende Pflegekosten selbst zahlen. Damit der Eigenanteil nicht komplett durch die Decke geht, fordert die DAK-Gesundheit eine Mischfinanzierung.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Bleibt im Alter noch genug Geld im Portemonnaie, um die Pflege zu bezahlen? Diese Frage treibt immer mehr Bundesbürger um.

Bleibt im Alter noch genug Geld im Portemonnaie, um die Pflege zu bezahlen? Diese Frage treibt immer mehr Bundesbürger um.

© Andreas Gebert/dpa

Berlin. Die DAK-Gesundheit hat sich für grundlegende Änderungen bei der Pflegefinanzierung ausgesprochen.

„Aktuell verfehlt die Pflegeversicherung ihren Gründungsgedanken, die Menschen im Pflegefall vor dem Armutsrisiko zu bewahren und die Kosten der Pflege fair zu verteilen“, sagte Vorstandschef Andreas Storm bei der Vorstellung des „Pflegereports“ der Kasse am Mittwoch in Berlin.

25 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung könnten viele Pflegebedürftige die Kosten für Pflege nicht mehr aufbringen, sagte Storm. Allein der Eigenanteil für die Versorgung in Heimen liege im Schnitt bei 693 Euro monatlich. Passiere nichts, könne sich der Eigenanteil bis 2045 auf knapp 1900 Euro verdreifachen.

„Ordnungspolitisch brauchen wir für die kommenden 25 Jahre eine völlig neue Finanzstatik“, sagte der DAK-Chef. Diese habe auf Beitragseinnahmen und langsam aufwachsenden Steuerzuschüssen aufzusetzen. Wie das Kindergeld sei auch das Pflegegeld eine Sozialleistung mit „gesamtgesellschaftlichem Charakter“. Dies rechtfertige das Anzapfen von Steuermitteln.

„Sockel-Spitze-Tausch“ als Herzstück

Herzstück des DAK-Reformkonzepts ist der „Sockel-Spitze-Tausch“. Dabei würde der Eigenanteil abgesenkt und eingefroren. Darüber hinaus gehende Pflegekosten würden über die Pflegeversicherung aufgefangen. Bisher ist es umgekehrt.

Zuletzt hatte sich die SPD für eine solche Finanzierungslogik ausgesprochen, war damit aber bei der Unionsfraktion auf Widerstand gestoßen. Auch deshalb, weil ein Sockel-Spitze-Tausch dem Ziel der Koalition zuwiderlaufen könnte, die Sozialversicherungsbeiträge nicht über 40 Prozent der Einkommen steigen zu lassen.

Auch die Diakonie hatte für eine Begrenzung der Eigenanteile geworben. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, im ersten Halbjahr 2020 ein Finanzierungskonzept für die Pflege vorlegen zu wollen.

Der Bremer Gesundheitsökonom Professor Heinz Rothgang habe für die DAK „erstmals“ Modellrechnungen für einen Sockel-Spitze-Tausch bis 2045 erstellt, berichtete DAK-Vorstand Storm. Danach würde mit einem Sockelbetrag der Eigenbeteiligung von im Schnitt 450 Euro pro Monat gestartet. Die Eigenanteile würden entsprechend der Lohnentwicklung „dynamisch steigen“, aber eben nicht „explodieren“, so Storm.

Eigenanteile unterschiedlich hoch

Derzeit liegen die Eigenanteile je nach Bundesland und sogar je nach Heim unterschiedlich hoch. Laut DAK lagen sie im ersten Quartal dieses Jahres zwischen 274 Euro in Thüringen und 925 Euro in Baden-Württemberg. Der Bundesschnitt betrug 662 Euro. (siehe nachfolgende Grafik)

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Um Pflegebedürftige unabhängig von ihrem Wohnort zu entlasten, schlägt die DAK zunächst unterschiedlich gedeckelte Eigenanteile je Bundesland vor, um in einer Art „Konvergenzphase“ bis 2045 schrittweise einen bundesweit einheitlichen Wert zu erreichen. Um eine Lösung für die unterschiedlichen Belastungen in den 16 Bundesländern zu entwickeln, schlug Storm zur Umsetzung der Pflegereform eine Kommission aus Vertretern von Bund und Ländern vor.

Dazu ist aus DAK-Sicht auch eine rasche Steuerfinanzierung unumgänglich. So könnte laut Kasse bereits 2021 mit der Einführung eines Steuerzuschusses in Höhe von einer Milliarde Euro begonnen werden. Bis 2025 soll dieser auf fünf Milliarden Euro anwachsen.

In „kleinen“ weiteren Schritten sei eine stufenweise Erhöhung nötig, die 2045 bis zu 25 Prozent der Leistungsausgaben abdecken soll. Nach heutigem Stand entspräche dies gut 18 Milliarden Euro.

Steuerzuschuss gefordert

Storm sprach von einem durchaus „signifikanten Betrag“, den der Steuerzahler aufbringen müsse. Angesichts der demografischen Entwicklung sei das Ziel, die Sozialabgaben bei 40 Prozent zu deckeln, aber „nicht realisierbar“. Schon deshalb sei über einen Steuerzuschuss zur Pflege nachzudenken. Wer sich dem verweigere, treibe Menschen „massenweise“ in die Sozialhilfe. „Das delegitimiert die Pflegeversicherung.“

Laut einer Umfrage für den DAK-Pflegereport halten drei Viertel der Befragten die Pflegeversicherung für sinnvoll, haben aber Angst, eine mögliche Pflege im Alter finanziell nicht stemmen zu können. 80 Prozent befürchten, dass sie trotz Pflegeversicherung bei einer Pflege im Heim sämtliche Ersparnisse verlören. Vier von zehn Befragten sehen eine „sehr starke Belastung“ durch Pflegekosten.

„Es öffnet sich ein politisches Opportunitätsfenster für eine Struktur- und Finanzierungsreform der Pflegeversicherung“, betonte auch Pflegeexperte Professor Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg und Mitautor des Reports.

Die Pflegeversicherung könne ihr Versprechen, das Armutsrisiko bei Pflegebedürftigkeit zu begrenzen, künftig nicht mehr einlösen. Die Politik dürfe das Thema nicht länger vertagen.

Aktuell sind in Deutschland rund 2,7 Millionen Menschen pflegebedürftig. Ein Viertel wird in Heimen betreut. Die Ausgaben der Pflegeversicherung stiegen zwischen zuletzt auf 41 Milliarden Euro – im Jahr 2015 waren es noch 29 Milliarden Euro.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 16.10.2019 um 16:56 Uhr.

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