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Gutes Sterben - Braucht es neue Gesetze?

Mehr Palliativversorgung: Ja. Aber sind neue Regeln für den assistierten Suizid nötig? Der Bundestag ringt um eine Position.

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Beratung: Peter Hintze (CDU), Dagmar Wöhrl (li., CSU), Carola Reimann (SPD), Katherina Reiche (re., CDU).

Beratung: Peter Hintze (CDU), Dagmar Wöhrl (li., CSU), Carola Reimann (SPD), Katherina Reiche (re., CDU).

© Albig / dpa

BERLIN. Fast fünf Stunden offene Debatte, 48 Redebeiträge: Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag um Orientierung beim Thema Sterbehilfe und Sterbebegleitung gerungen.

Grundlage der Diskussion bildeten fünf Positionspapiere jeweils fraktionsübergreifender Gruppen. Einigkeit herrschte über den Ausbau der palliativmedizinischen und hospizlichen Versorgung und ein Verbot gewerblicher Sterbehilfevereine.

Die herausragende Rolle der Ärzteschaft dabei betonten alle Redner. "Ich möchte davor warnen, das persönliche Arzt-Patienten-Verhältnis zu verrechtlichen", warnte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn.

Die Straffreiheit des ärztlich assistierten Suizids und die standesrechtlichen Verbote dieser Handlungen in zehn Kammerbezirken könnten koexistieren. Wir müssen aufpassen, dass wir kein Problem großreden, um es anschließend zu lösen.

Zuvor hatten mehrere Abgeordnete die Kammern wegen ihrer berufsrechtlich angedrohten Sanktionen für Ärzte gerügt, die beim Suizid eines Patienten assistieren. Die Ärzteschaft solle intern einmal diskutieren, ob das noch zeitgemäß sei, sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD).

Lob vom BÄK-Präsidenten

In einer ersten Reaktion lobte der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery, "dass es einen großen Konsens gibt, Sterbehilfevereinen das Handwerk zu legen." Beihilfe zum Suizid sei aber auch keine ärztliche Aufgabe, sagte Montgomery.

Die meisten Debattenbeiträge hoben darauf ab, Arzt und Patient sowie Angehörigen individuelle Freiräume zu lassen, das heißt das geltende Recht unangetastet zu lassen. Regelungsbedarf sahen die Abgeordneten bei gewerbsmäßiger Sterbehilfe und Ärzten, die sich als Seriensterbehelfer betätigen.

Hier solle es strafrechtliche Regelungen geben. Lediglich eine Gruppe setzt sich für Sterbehilfevereine ein, die allerdings nicht gewerblich sein dürfen.

Der Sozialverband vdk verwies im Anschluss an die Debatte darauf, dass Krankenkassen oft die Übernahme der Kosten für ambulante Hospizversorgung ablehnten, und forderte ein Gegensteuern.

"Mit diesem Tagesordnungsordnungspunkt beginnen wir das vielleicht anspruchsvollste Projekt dieser Legislaturperiode", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert zur Eröffnung. Ein Jahr hat sich der Bundestag für das Projekt Zeit gegeben. Im Februar soll die Debatte mit regelrechten Gesetzesanträgen fortgesetzt werden.

Wie gelingt würdevolles Sterben?

Weder "Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein": Das Zitat aus der Offenbarung des Johannes, das der Abgeordnete Peter Hintze (CDU) vortrug, war wie ein Leitmotiv der fast fünfstündigen Debatte des Bundestags zu Sterbehilfe und Sterbebegleitung. Wie gelingt würdiges Sterben? Braucht es dafür neue rechtliche Vorgaben? Wenn ja, welche?

Hintze warb am Donnerstag für einen geplanten interfraktionellen Gruppenantrag, der Ärzten Rechtssicherheit geben soll und der Möglichkeit des ärztlich assistierten Suizids im Bürgerlichen Gesetzbuch verankern will. Es sei unvereinbar mit der Menschenwürde, wenn aus dem Schutz des Lebens "ein Zwang zum Qualtod wird", befand Hintze und erhielt viel Beifall aus dem zur Hälfte gefüllten Plenum des Bundestags.

Die biblische Vision eines Lebens ohne Leid und Schmerzen - sie wurde unter Verwendung anderer Begriffe freilich auch von Parlamentariern angeführt, die Fürsorge an der Stelle von Selbstbestimmung betonten. "Ich wünsche mir, dass wir eine sorgende Gesellschaft sind", sagte Kerstin Griese (SPD).

Autonomie sei nur in Gemeinschaft denkbar. Sie plädiert zusammen mit ihrer Fraktionskollegin Eva Högl dafür, die ärztlichen Freiräume der Behandlung nicht einzuschränken, will zugleich aber Rechtssicherheit für Ärzte erreichen. Dafür müsse der Flickenteppich von Regelungen der Landesärztekammern beseitigt werden.

Högl und Griese sehen die Ärzteschaft am Zug, einheitliche Positionen in ihrem Standesrecht festzulegen. Auch Thomas Oppermann (SPD) appellierte an die verfasste Ärzteschaft, die im Jahr 2011 geänderte Regelung in der Musterberufsordnung zu "überdenken". Dort heißt es seitdem: "Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten."

Eine Mehrheit der Redner sprach sich dafür aus, die Arbeit organisierter oder kommerzieller Sterbehilfeorganisationen zu verbieten. Oppermann bezeichnete deren Treiben als "trostlos und deprimierend".

Mit dem Verbot dieser Vereine allein sei den Menschen noch nicht geholfen. Oppermann regte an, eine Entscheidung des Bundestags über Sterbehilfe so lange zu vertagen, bis ein umfassender Ausbau der Palliativversorgung tatsächlich gelungen ist.

Schmerzfreiheit ja, aber Druchhalten bis zuletzt?

Abgeordnete wie Valerie Wilms (Grüne) wollen sich mit dieser Perspektive nicht abfinden: "Schmerzfreiheit ja, aber Durchhalten bis zum natürlichen Ende?" Dies lehnte Wilms ab und votierte dafür, Ärzten den assistierten Suizid rechtlich zu ermöglichen.

Vor allem Unionsabgeordnete warnten vor einer Rechtsänderung, die - so Michael Brand - eine Tür öffne, die nicht mehr zu schließen sei. Auch bei der Sterbehilfe schaffe sich "das Angebot die Nachfrage", warnte er. Mit der Institutionalisierung des ärztlich assistierten Suizids werde das Weiterleben begründungspflichtig, sagte Hubert Hüppe (CDU).

Zumal es, anders als oft in den Medien, nicht um "ehemalige Intendanten und Playboy-Legenden" gehe, sondern um oft einsame, alte Menschen, so Hüppe, der die Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids als "Dammbruch" ablehnt.

Mit "Prinzipienreiterei", so antwortete Burkhard Lischka (SPD) in der Debatte, "werden keine qualvollen Schmerzen verhindert". Er werde nicht die Hand dafür heben, "dass andere Menschen Objekt meiner Moralvorstellungen werden". Lischka unterstützt die Position Hintzes, der Rechtssicherheit für den ärztlich assistierten Suizid erreichen will.

Rechtssicherheit bei assistiertem Suizid schaffen

Zu den Mitautoren des Papiers von Hintze gehört Karl Lauterbach (SPD). Der Gesundheitspolitiker meinte, wer die Arbeit von organisierten Sterbehilfevereinen verbieten wolle, müsse auf der anderen Seite auch Rechtssicherheit für das Handeln von Ärzten schaffen. Das sei nichts, was "ein Ärzteparlament entscheiden soll" -  sondern eben der Bundestag.

Vor allem Sprecher der Union warnten davor, das Arzt-Patienten-Verhältnis durch eine Regelung zur Sterbehilfe zu verrechtlichen. "Zeigen Sie mir einen Fall, in dem ein Arzt berufsrechtliche Probleme bekommen hat, weil er im Einzelfall Sterbehilfe geleistet hat", sagte Jens Spahn (CDU).

Er warnte davor ein "Problem groß zu reden, das keines ist". Zwei Redner schlugen vor, nicht nur dem Sterben, sondern auch dem Leben fünf Stunden Debatte im Bundestag zu widmen: Nämlich der Situation der Pflege in Deutschland. (af/fst)

Lesen Sie die Debatte noch einmal nach unter: www.twitter.com/aerztezeitung

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