Machtprobe mit der KV
Hausärzte in NRW trauen Politikern nicht mehr
Hausärzte in Nordrhein-Westfalen sind am Ende ihrer Geduld - mit Politikern und mit ihren KVen.
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Leise Töne sind nicht mehr angesagt. Eine Demonstrantin in der Grugahalle in Essen.
© Klaro
ESSEN. Ärzte in Nordrhein und Westfalen-Lippe sind sich einig darin, dass sie ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen müssen. Rund 1800 Hausärzte, Praxismitarbeiterinnen und Patienten waren nach Angaben der Veranstalter am Mittwochmittag dem Aufruf "Hausärzte wehrt Euch!" gefolgt und in die Grugahalle nach Essen gekommen.
"Wir stehen auf, wehren uns und bieten einer verfehlten Ausrichtung in Berlin die Stirn", sagt Dr. Dirk Mecking, Vorsitzender des nordrheinischen Hausärzteverbands. "Wir werden von der Politik aus Berlin mit Häme bedacht, wir werden täglich diffamiert", ruft Mecking. Er geißelt die neoliberale Klientelpolitik der Bundesregierung, warnt vor der Macht der Großkonzerne im Gesundheitswesen und der Bedrohung der wohnortnahen Versorgung - das Publikum dankt es ihm mit anhaltendem Applaus. Es herrsche "Alarmstufe rot angesichts einer Entwicklung, die zu Lasten des Patienten, des Hausarztes und des kleinen Mannes geht". Seine Verbandskollege Dr. Andreas Marian stellt klar: "Er ist kein Kommunist, er schildert nur die Lage." Auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt lässt kein gutes Haar an der Gesundheitspolitik. "Ich bin noch von keinem Gesundheitsminister so verschaukelt worden wie von diesem, und ich kenne schon ein paar", sagt er.
Weigeldt ärgert es, dass Rösler den Hausärzten wegen ihrer Protestaktionen unärztliches Verhalten vorwirft. "Wie sollen wir denn dann diese Gesundheitsreform nennen?" Wenn Politik, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen die hausarztzentrierte Versorgung torpedieren, dann tun sie das aus Angst, dass daraus ein Erfolgsmodell werden könnte, sagt Weigeldt. In der Auseinandersetzung gehe es nicht nur um Geld, sondern auch um Macht. "Hände weg vom 73b", fordert er unter Applaus.
Die Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium Marlis Bredehorst, die einer kurzfristigen Einladung gefolgt ist, sichert den Hausärzten Sympathie und Unterstützung des Ministeriums zu. "Die Hausärzte sind für uns die Basis der gesundheitlichen Versorgung aller Menschen", sagt Bredehorst. Und: "Mir liegt die gerechte Honorierung Ihrer Leistungen sehr am Herzen."
Das freut das Publikum zwar, doch weil sie eben eine Politikerin ist, trauen viele Hausärzte Bredehorst nicht. Während ihrer Rede wird es immer lauter und unruhiger. "Wir wollen endlich Taten sehen", ruft jemand - die rot-grüne Landesregierung ist seit Mitte Juli im Amt. Wenn sie etwas für die Hausärzte tun wolle, solle Bredehorst doch Birgit Fischer, die Chefin der Barmer GEK, dazu bringen, endlich einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung zu schließen, fordert ein Arzt unter lautem Applaus. Fischer war bis 2005 SPD-Gesundheitsministerin in NRW.
Buhrufe muss sich die Staatssekretärin anhören, als sie den friedlichen Protest der Hausärzte in NRW lobt, der im Gegensatz zum "brachialen Vorgehen Ihrer Kollegen in Bayern" stehe. Der Chef des westfälisch-lippischen Hausärzteverbands Dr. Norbert Hartmann bedankt sich bei Bredehorst für den Mut, in die Höhle des Löwen gekommen zu sein. "Das Angebot zum Dialog nehmen wir gerne auf", sagt er.
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