Negative Reaktionen

Hausärzte kritisieren EBM-Reform

Der neue EBM trifft bei den Hausärzten nicht auf Wohlgefallen. Dieser Trend zeichnet sich in Reaktionen ab, die der Deutsche Hausärzteverband auf ein Rundschreiben Mitte Juli bekommen hat.

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NEU-ISENBURG. Hausärzte befürchten, dass sie durch die EBM-Reform der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) finanzielle schlechter gestellt werden.

Zudem sorgen sich einige vor mehr Bürokratie. Das folgert der Deutsche Hausärzteverband aufgrund von einigen Reaktionen, die er auf ein Rundschreiben des Vorsitzenden Ulrich Weigeldt bekommen hat.

Keine einzige Reaktion sei positiv ausgefallen, sagte eine Verbandssprecherin der "Ärzte Zeitung".

Vergangenen Mittwoch hatte Weigeldt die rund 30.000 Mitglieder des Verbandes aufgefordert, dem Verband ihre Meinung über die Reform mitzuteilen.

Dem Verband zufolge bemängeln die meisten Ärzte, dass bei steigenden Patientenzahlen und Personalkosten analog die Praxiseinnahmen sinken. Auch überlegten Ärzte, ihre Praxis ins europäische Ausland zu verlegen.

"Eine gut funktionierende Abrechnung wird durch ein kompliziertes Monster ersetzt. Damit wird hausärztlicher Nachwuchs abgeschreckt", heißt es etwa in einer Reaktion.

"Der neue EBM bedeutet für die Patienten eine völlig unnötige Verschlechterung und eher eine Schwächung der hausärztlichen Leistung bei Patienten, die dringend eine sogenannte "atypische Leistung" benötigen", schreibt ein anderes Mitglied.

Mit der EBM-Reform will die KBV eigentlich die hausärztliche Grundversorgung stärken. Für Aufregung hat aber schon im Vorfeld die Einteilung in typische und atypische Hausärzte gesorgt.

Neu eingeführt wird eine Pauschale für Vorhaltung von hausärztlichen Praxisstrukturen, die mit 14 Euro je Fall bewertet ist. Davon ausgenommen sind Fälle, in denen keine hausärztliche Versorgung durchgeführt wird, etwa Akupunktur, Psychotherapie, Schmerztherapie und Schlafdiagnostik. (jvb)

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Kommentare
Anne C. Leber 30.07.201314:56 Uhr

Leserzuschrift von Dr. Gerhard Heinsch

Schildbürgerstreich Hausärzte – EBM, oder wie erhöhe ich den Bürokratieaufwand

Liebe Kollegen und Kolleginnen,
nachdem jetzt seit einiger Zeit viele Wahrheiten und Halbwahrheiten in allen möglichen Artikeln über den neuen Hausärzte – EBM zu lesen waren ist es notwendig doch mal näher hinzuschauen was uns da erwartet.

Ein Paradebeispiel wie man den Bürokratieaufwand für die Hausärzte unnötig verschärft – letztendlich ja auf Anregung der KBV, die unbedingt den Hausärzte-EBM in dieser Form wollte - ist die Chronikerziffer. Hier den Überblick zu behalten ist schon schwer genug:

Die Chronikerziffer darf nur zugesetzt werden, wenn der Patient vier
Quartale hintereinander einen persönlichen Kontakt zum Arzt hatte.
Das heißt, der Hausarzt muss in den Unterlagen die letzten vier Quartale sichten, ob hier die Bedingungen erfüllt werden.

Jetzt muss der Hausarzt bei einem Kontakt die entsprechende Abrechnungsziffer ansetzen. Kommt der Patient noch einmal und hat einen persönlichen Kontakt zum Hausarzt muss der Hausarzt die Ziffer, die er vormals eingetragen hat, herauslöschen und die für zwei Kontakte vorgesehene Leistungskennziffer eintragen.

Bei einem Hausarztwechsel soll der neue Hausarzt seinen vorbehandelnden Kollegen dann anrufen und in Erfahrung bringen, ob der neue Patient denn auch vier Quartale hintereinander beim Kollegen persönlich gesehen wurde. Dafür soll es dann eine zusätzliche (Pseudo)ziffer geben, die einzutragen ist.

Einen Chroniker-Zuschlag erhält der Hausarzt in Nordrhein , wenn bestimmte ICD – kodierte Erkrankungen bei dem Patienten vorliegen. Dann wird von der KV automatisch ein Zuschlag zugesetzt.

Diese Regelungen sind nicht wirklich dazu geeignet mehr Zeit für den Patienten zu haben! Dem ärztlichen Nachwuchs wird, wenn diese Dinge transparent werden, damit endgültig demonstriert, dass die hausärztliche Versorgung immer weniger mit Patientenversorgung zu tun hat und eine ausufernde Bürokratie den Beruf unattraktiv macht.
Des Weiteren frage ich mich, wo hier die Planungssicherheit bleibt, denn ich warte mit grosser Sprannung darauf, wie alle diese Dinge von unserer Praxissoftware tagesaktuell erfasst werden können damit ich am Ende eines Tagesprotokolles aktuelle Informationen über den Leistungsstand unserer Praxis habe.

Dr.Gerhard Heinsch
Hausärztlich tätiger Internist
Haan

Wolfgang Conzelmann 30.07.201314:35 Uhr

Streik organisieren!

Jetzt wird das Geld der Ärzte genommen - man zieht es erst ab - dann darf zusätzlich gearbeitet werden um dass geklaute Geld eventuell wieder zu bekommen. Also die Ziffer 03111 brachte bisher cirka 32 Euro jetzt nur noch 12 Euro von dem gekauten Geld darf dann Einzelleistung erbracht werden wie z.B. Gespräche (nur bei todkranken und dabei noch budgetiert) für die Bruttobezahlung von 9 Euro pro 20 Minuten.
Auch fällt auf dass neben Säuglingen und Greisen der Rest der steuerbezahlenden Patienten diskriminiert wird. Siehe die neuen Pauschalen. Weder volkswirtschaftlich und ärztlich verantwortungsvoll dient diese Reform lediglich einigen entvölkerten Regionen der EX-DDR die nun Rentnergebiete geworden sind.

Anne C. Leber 25.07.201311:46 Uhr

Leserzuschrift von Dr. Kristian Szilagyi

Lieber HÄV, Danke!!!

Endlich haben wir unser Hamsterrad wieder! Dank "unserem" HÄV. Wie können Sie solch einem EBM zustimmen???
Endlich hatten wir einige wenige Pauschalen und einen organisierten Notdienst und konnten uns unseren Patienten, Familien und Hobbies widmen mit einem relativen stabilen, kalkulierbaren Einkommen. Da kommt die KBV im Verbund mit dem HÄV und stimmt für einen neuen Hausarzt-EBM, der uns nichts bringt außer mehr Arbeit. Vielen Dank! Ich bin wirklich beeindruckt und stolz auf Ihre Arbeit!
Wo ist der, insbesondere IHR hausärztliche Kampfgeist geblieben? Mit diesem EBM wird kein junger Arzt eine Praxis übernehmen, solange wir weiterhin von Budgetdruck und vor allem Regressen sowie Hamsterrad bedroht sind. Warum sollte ich Mitglied in diesem HÄV bleiben, der vor der KBV und Herrn Köhler einknickt und keinen Stolz und keine Kraft besitzt, für ureigene hausärztliche Positionen zu kämpfen?
Dr. Kristian Szilagyi,
Bad Salzschlirf

Dr. Thomas Georg Schätzler 23.07.201310:13 Uhr

KBV-Hausarztpolitik: "Divide et Impera"!

Zunächst einmal: Jedwede E i n t e i l u n g von Hausärztinnen und Hausärzten deutschlandweit in typische und atypische Hausärzte ist eine lupenreine Spielart des bekannten "Divide et Impera" der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). So werden auch Radiologen gegen Orthopäden, Laborärzte gegen Internisten, Allgemeinärzte insbesondere in unterversorgten Gebieten gegen Pädiater, Radiologen gegen Schmerztherapeuten, niedergelassene Chirurgen gegen Kliniken, Generalinternisten gegen Spezialinternisten und ärztliche gegen nicht-ärztliche Psychotherapeuten ausgespielt.

In der großen Politik wird die "kleine" KBV aber auch gegen die Bundesärztekammer (BÄK) ausgespielt. Erst auf dem 116. Deutschen Ärztetag in Hannover haben BÄK-Vorstand und Delegierte in einer Art "Blutgrätsche" mit ihrem FDP-freundlichen Votum p r o "Kopfpauschale" und g e g e n eine "Bürgerversicherungs"-GKV ebenso ungefragt wie inkompetent die KBV-Verhandlungsführerin und hausärztliche Kollegin Regina Feldmann torpediert. Allerdings hatte der Vorstand der KBV sich selbst mit einem 3-stufigen "Wahltarif-Modell" für GKV-Patienten und -Kassen schon vorher demontiert. KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. med Andreas Köhler hatte nämlich schon im März diesen Jahres vorgeschlagen, GKV-Versicherte künftig im Kollektivvertrag mit drei "Wahltarifen" zu versichern.

Für Hausärzte, welche die überwiegende Mehrheit aller fachspezifischen medizinischen und psychosozialen Probleme bereits auf der Primärversorgungs-Ebene lösen, hat sich die KBV 5 besonders perfide "Wahltarife" ausgedacht. Versichertenpauschalen für ein 3-Monats-Quartal, in fünf Altersgruppen aufgesplittet, betragen:
• 23,60 Euro für Kinder bis einschließlich vier Jahren
• 15 Euro für Patienten bis 18 Jahre
• 12,20 Euro für Erwachsene vom 19. bis 54. vollendeten Lebensjahr
• 15,70 für Patienten zwischen 55 und 75 Jahre
• 21,00 Euro für Ältere.
Für eine 35-jährige Lebensspanne unserer Patientinnen und Patienten, vom 19. bis zum 54. Lebensjahr, soll ein Praxis-U m s a t z von sage und schreibe 12,20 Euro für die 3-monatige qualifizierte medizinische Rundum-Betreuung reichen. Das sind 13,5 Cent Umsatz pro Kalendertag v o r Kosten, v o r Steuern und v o r Versicherungen. Und selbst wenn die KBV noch zusätzlich eine Pauschale für die Gestellungskosten und Vorhaltung von hausärztlichen Praxisstrukturen über 14 Euro anbietet, müsste die nicht auch für eingeschriebene Patienten gezahlt werden, die gerade n i c h t in der Praxis auftauchen, aber dennoch Bereitstellungskosten verursachen?

Aber selbst wenn wir das geradezu "fürstliche" Honorarangebot der KBV in der Summe von 26,20 Euro pro Patient pro Quartal akzeptieren würden, würde unsere Autowerkstatt dafür unser Praxisfahrzeug in 3 Monaten gerade e i n m a l ganze 20 Minuten (Materialverbrauch und Ersatzteile gehen extra!) inspizieren wollen. Wollen wir Hausärztinnen und Hausärzte das wirklich?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. Beaune/F)

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