Corona-Tests für Reiserückkehrer

Hausärzte nennen 15 Euro je SARS-CoV-2-Abstrich schlechten Scherz

Deutschlands Hausärzte zürnen ob der seit Samstag geltenden Rechtsverordnung zu kostenfreien Corona-Tests für Reiserückkehrer. Die Vergütung sei ein Witz und die Tests alles andere als ärztliche Aufgabe.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Unzufrieden mit der Testverordnung für Reiserückkehrer: Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Hausärzteverbands.

Unzufrieden mit der Testverordnung für Reiserückkehrer: Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Hausärzteverbands.

© Marius Becker / dpa / picture-alliance

Berlin. Die von der Bundesregierung beschlossenen Corona-Tests für Reiserückkehrer sorgen bei Hausärzten für erheblichen Verdruss. „Ich glaube, den Zuständigen ist nicht bewusst, welchen Aufwand eine Testung in der Praxis bedeutet“, kommentierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, die Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Laut der am vergangenen Samstag in Kraft getretenen Rechtsverordnung können sich sämtliche Reiserückkehrer ab sofort kostenfrei auf eine SARS-CoV-2-Infektion testen lassen. Die Tests sollen durch niedergelassene Ärzte und die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren vorgenommen werden.

Parallel dazu können die Länder weitere Regelungen erlassen, um etwa zusätzliche Testzentren an deutschen Flughäfen einzurichten. In Berlin, München oder Frankfurt ist dies bereits der Fall. Im ursprünglichen Verordnungs-Entwurf sollten allein Hausärzte die Testungen vornehmen.

Weigeldt: Vergütung dokumentiert Geringschätzung

Sauer sind die Hausärzte trotzdem. Als völlig unzureichend stufen sie die 15 Euro ein, die sie für jeden Abstrich auf eine mögliche Coronavirus-Infektion bekommen. Verbands-Chef Weigeldt sprach von einem „schlechten Scherz“.

Der Betrag dokumentiere eine „Geringschätzung dessen, was die Kolleginnen und Kollegen hier zu leisten haben und leisten“. Davon abgesehen sei unklar, ob die Hausärzte per Verordnung verpflichtet werden könnten, die Abstriche vorzunehmen.

Ärzte seien verantwortlich für die Versorgung von Kranken, „nicht für die Durchführung von par ordre du mufti angesetzten Testserien“, argumentierte auch die Vorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz, Dr. Barbara Römer. Die per Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Testungen von Reiserückkehrern seien „originäre Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“ (ÖGD).

Bewährte Praxisabläufe in Gefahr

Überdies konterkariere die Verordnung das Konzept der Hausarztpraxen, potenziell infektiöse und nicht-infektiöse Patienten strikt voneinander zu trennen, so Römer. Dank dieser Trennung, die einen erheblichen Aufwand für die Praxisteams bedeute, habe man die COVID-19-Pandemie in Deutschland bislang erfolgreich in Grenzen halten können. Dies stehe nun in Gefahr.

Reiserückkehrer ohne Symptome abzustreichen sei keine ärztliche Aufgabe, teilte auch der Hausärzteverband Hamburg mit. Dies könnten angelernte Helfer des ÖGD erledigen. Die Vergütung von 15 Euro „für Terminierung, Abstrich in Schutzausrüstung, Probenversand, Übermittlung der Ergebnisse und Ausstellung eines Attestes“ sei „eine Unverschämtheit“, sagte Verbands-Chef Dr. Frank Stüven.

Kassen: Kosten nicht auf Beitragszahler abwälzen

Die Krankenkassen begrüßten die Tests als sinnvollen Beitrag zum Bevölkerungsschutz, zugleich problematisierten sie die ungeklärte Kostenfrage. „Es kann nicht sein, dass die Kosten der Testungen allein den Beitragszahlern und ihren Arbeitgebern auferlegt werden“, teilte etwa die AOK Baden-Württemberg auf Anfrage mit. Bevölkerungsschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

In jedem Fall seien die Kosten durch einen zusätzlichen Bundeszuschuss aus Steuermitteln zu refinanzieren, forderte die Kasse. Der bereits beschlossene Zuschuss an den Gesundheitsfonds von 3,5 Milliarden Euro aus dem zweiten Nachtragshaushaltsgesetz beinhalte die jetzt neu eingeführten Testungen von Touristen nicht.

Lesen sie auch
Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Kommentare
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommentar zur Entscheidung des Bundesrats

Klinikreform – ein Fall fürs Lehrbuch

Nach Bundesrats-Votum

Unterschiedliche Reaktionen auf beschlossene Klinikreform

Lesetipps