Chronikerpauschalen

Hausarztverträge im Visier – Aufsicht fordert Klarstellungen

Das Bundesversicherungsamt duldet Chronikerpauschalen in der bisherigen Form nicht mehr. Bis Ende August müssen Kassen ihre Verträge anpassen. Hausärzte-Chef Weigeldt ist vergrätzt, dass der Streit um den Morbi-RSA die HzV einholt.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Das BVA nimmt die Hausarztverträge ins Visier.

Das BVA nimmt die Hausarztverträge ins Visier.

© Frank Täubel / Fotolia

BERLIN/BONN. Das Bundesversicherungsamt (BVA) nimmt alle Hausarztverträge unter die Lupe. Im Visier der Kassenaufsicht stehen insbesondere die Chronikerpauschalen.

Teil vieler HzV-Verträge sind solche Pauschalen, bei denen nach Darstellung des BVA die Vergütung der Hausärzte sich nach der Zahl der dokumentierten Diagnosen bestimmt. Diese wiederum haben Einfluss auf die Zuweisungen an die Kassen, die über den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) berechnet werden. Ein Wettbewerb um Zuweisungen "steht dem Grundgedanken des Solidarsystems" in der GKV entgegen, heißt es in einem neuen Rundschreiben des BVA. Bis Ende August müssen die Kassen ihre HzV-Verträge angepasst haben. Betroffen ist offensichtlich das Gros der Vereinbarungen.

Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbands, zeigt sich wenig amüsiert: "Es kann nicht sein, dass Streitereien zwischen den Kassen um den Morbi-RSA auf dem Rücken der Hausärzte und ihrer Patienten ausgetragen werden", sagt Weigeldt der "Ärzte Zeitung". Die HzV-Verträge bleiben gültig, beruhigt der Verbandschef. Ob Anpassungsbedarf besteht, werde gemeinsam mit den Kassen und "in enger Abstimmung mit dem BVA" geprüft. An den Hausarztverträgen nehmen bundesweit 4,7 Millionen Versicherte und 17.000 Hausärzte teil.

Wie eine rechtskonforme Anpassung der Verträge konkret aussehen könnte, sagt Weigeldt nicht, betont aber, dass kontaktunabhängige Pauschalen auch künftig nicht grundsätzlich unzulässig sein werden. "In der HzV werden nicht bestimmte Kodierungen, sondern wird der Betreuungsaufwand bei bestimmten Krankheitsbildern vergütet", stellt Weigeldt klar. Wo nötig, müssten die  die Leistungslegenden der Chronikerpauschalen angepasst werden.

Bei Kassen löst der Vorstoß der Bonner Behörde Betriebsamkeit aus. Die Hausarztverträge der Barmer seien "ebenso wie die vieler Wettbewerber betroffen", sagt Barmer-Sprecherin Sunna Gieseke. In den nächsten Wochen starteten daher Verhandlungen mit den Vertragspartnern.

Auch die Techniker Kasse will sich mit ihren Vertragspartnern kurzschließen. Ein Sprecher ließ auf Anfrage aber nicht erkennen, ob auch die hauseigenen HzV-Verträge von den neuen Vorgaben des BVA betroffen sind. „Wir unterstützen jede Maßnahme, die die Manipulationsanfälligkeit des Morbi-RSA verringert“, sagte der Sprecher. Kein Wunder: Schließlich war es die „Beichte“ von TK-Chef Dr. Jens Baas, die im Oktober 2016 eine breite Diskussion über Upcoding ausgelöst hat.

Unklar ist, welche Auswirkungen die neuen Vorgaben auf die Refinanzierbarkeit der HzV haben.

Etliche Kassen halten schon bisher wenig von der gesetzlichen Pflicht zu HzV. Für sie könnte die Prüfpraxis des BVA ein willkommener Anlass sein, ihre Verträge aufs Abstellgleis zu setzen.

Daran erinnert auch Weigeldt. Mit vielen Kassen habe man bei der HzV "partnerschaftlich zusammengearbeitet", andere "versuchen bis heute, ihren Versicherten das Recht auf eine hausarztzentrierte Versorgung streitig zu machen". Genau deshalb habe der Gesetzgeber die Kassen auch zum Abschluss solcher Verträge verpflichtet.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Einheitliche Aufsicht – jetzt!

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