Vor Parteitag der Grünen
Homöopathie-Streit kocht hoch
Gesundheitspolitikerinnen der Grünen versuchen den Globuli-Gau auf dem Parteitag zu verhindern. Eine Fachkommission soll die Kontroverse entschärfen.
Veröffentlicht:Berlin. Der Streit um die Homöopathie kocht im Vorfeld des Parteitags der Grünen weiter hoch. Jetzt haben sich prominente Gesundheitspolitiker eingeschaltet. Sie suchen nach Wegen, eine kontroverse Debatte über die Rolle der Homöopathie auf offener Bühne zu verhindern.
Kreisvorstände aus dem ganzen Bundesgebiet haben im Vorfeld des Parteitags Mitte November in Bielefeld konträre Anträge eingebracht. Ungewöhnlich viele Unterstützer erhält dabei ein Antrag, in dem dafür plädiert wird, die „Sonderrechte“ für Homöopathie im Arzneimittelgesetz und im SGB V aufzuheben oder „zumindest kritisch zu überdenken“.
Antragsspirale dreht sich weiter
Andere Kreisverbände warnen vor einem solchen Schritt, der die Grünen zu einer „Verbotspartei für bestimmte Lebenskonzepte“ machen würde. Doch die Antragsspirale dreht sich weiter.
Unter dem Titel „Grüne Gesundheitspolitik – mit Verantwortung und Weitblick in die Zukunft“ wird für 2020 eine „ausgewogen besetzte Fachtagung“ mit Vertretern aus Schul- sowie Komplementärmedizin und Gesundheitspolitik gefordert. Diese soll den Dialog der verschiedenen Akteure „auf Basis wissenschaftlicher und evidenzbasierter Methoden“ fördern – und vom Bundesvorstand der Grünen organisiert werden.
Ein derartig großes Forum für den Glaubensstreit um die Globuli wäre grünen Gesundheitspolitikern dann doch zu heikel. So intervenierte Kordula Schulz-Asche, pflegepolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag, mit einem Antrag, um das Thema vor dem Parteitag von der Bühne zu holen.
Die zuständige Bundesarbeitsgemeinschaft Gesundheit, Abgeordnete aus Bundestag und Landtagen sowie Experten sollten eine Fachkommission bilden, heißt es in dem Antrag, der unter anderem von der gesundheitspolitischen Sprecherin Maria Klein-Schmeink und ihrer Fraktionskollegin Kirsten Kappert-Gonther unterstützt wird.
„Nicht über Placebo-Effekt hinaus“
Die Fachkommission könnte dann – jenseits der strittigen Frage, ob Homöopathie als Satzungsleistung von den Kassen gezahlt werden soll oder nicht – die ganz großen Fragen aufrufen: den Wissenschaftsbegriff in der Medizin, die evidenzbasierte Medizin und das Verhältnis beider im Kontext der „Integrativen Medizin“.
Vorsichtig wird in dem Antrag versucht, strittige Positionen zu amalgamieren. Homöopathika seien strittig, „weil sie nicht über einen Placebo-Effekt hinauswirken“, doch dies gelte auch für konventionelle Arzneimittel im Leistungskatalog der GKV. Namentlich führen die Antragsteller „die Hälfte der Antidepressiva“ oder „nasenschleimhautabschwellende Mittel bei Kindern“ an.
Indem der Fokus der Debatte hochgezoomt wird, versuchen die grünen Gesundheitspolitikerinnen, dem Homöopathie-Streit die Spitze zu nehmen. Denn auf die im Antrag gefettete Kernfrage wird der Parteitag sicherlich eine Konsens-Antwort parat haben: „Wird unser Gesundheitssystem den Bedürfnissen der gesamten Versichertengemeinschaft gerecht?“ (fst)