Corona-Pandemie
Impfkampagne unter Polizeischutz?
Tumulte in Impfzentren, mobile Ärzteteams im Priorisierungsstress, Erkenntnis und Datenschutz? Fragen zur Corona-Impfung.
Veröffentlicht:Berlin. Zur Wahrheit über die bevorstehende weltweite Impfkampagne zum Schutz vor COVID-19 gehört auch, dass Vieles daran ins Ungefähre zielt. Dass die Erfahrungen mit dem ersten Corona-Impfstoff „sehr limitiert“ sein werden, räumt schon das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einem Entwurf für „Empfehlungen für die Organisation und Durchführung von Impfungen gegen Sars-CoV-2 in Impfzentren und mit mobilen Teams“ ein. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Die Impfstoffe, die nach und nach auf den Markt kommen werden, sind alle neu. Um Erkenntnisse zu gewinnen und Transparenz zu schaffen, wäre eine Datenbank zu Risiken und Nebenwirkungen hilfreich, sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Professor Alena Buyx am Mittwochabend. Sie musste allerdings gleichzeitig darauf verweisen, dass in Deutschland bereits eine strittige Diskussion über Datenschutz entstanden sei.
Und wie sieht es bei fehlender Datengrundlage mit der Kompensation von Impfschäden aus? Die Wissenschaftsakademien in Europa hätten einen Entschädigungsfonds auf europäischer Ebene empfohlen, berichtete Buyx. Ein solcher Fonds könnte auch die Industrie entlasten.
Warum Impfzentren nötig sind
Die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats Professor Christiane Woopen und ihre Kollegen aus England und Frankreich thematisierten Allokationsprobleme, die auf die Ärzte zukommen werden. Zu Beginn soll und muss in der Regel in Impfzentren geimpft werden, weil Ärzte die Impfstoffe unter Umständen in ihren Praxen nicht auf das für die Lagerung erforderliche Maß kühlen können.
In diesen Impfzentren voller beunruhigter Menschen werden strenge Regeln gelten müssen. Der Vorsitzende des englischen Ethikrates, David Archard, warnte vor einem ungeregelten Ansturm auf die Zentren und Sicherheitsproblemen. Es stelle sich die Frage, ob Ärzte dort unter Polizeischutz priorisieren und impfen werden müssen.
Woopen warf für Deutschland die Frage auf, wer dort überhaupt die Entscheidungsgewalt haben werde? Das Papier aus dem BMG verweist an dieser Stelle auf die Länder und Kommunen.
Für die Menschen, die nicht in der Lage seien, ein Impfzentrum aufzusuchen, müsse es wiederum mobile Impfteams geben, forderte Woopen. Deren Problem ist die Route. Sie könnten nicht überall gleichzeitig sein, wies Woopen auf ein weiteres Allokations- und Priorisierungsproblem hin.
Herausforderung Sozialindikation
Noch komplexer wird die Aufgabe für Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten, wenn es Indikationen aufgrund sozialer Umstände geben sollte. Was könnte dabei auf die Ärzte und Psychotherapeuten zukommen, wenn sie aufgefordert würden, diese Sozialindikationen zu schreiben, fragte Woopen.
Einfacher sei es dagegen, die Angehörigen der Gesundheits- und Pflegeberufe als zu priorisierende Gruppe zu identifizieren. Das könne anhand der ständischen Berufsregister erfolgen.