Ins Heim - für viele Migranten undenkbar
Sprachbarriere, Mentalität und mangelhafte Information: Die Pflege von Migranten steckt voller Fallstricke. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum viele Migranten professionelle Pflege ablehnen.
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Immer noch ein seltenes Bild: Pflegekraft betreut Migrantin.
© Stache/dpa
BERLIN. Pflegebedürftige Angehörige gibt man nicht ins Heim. So denken viele Menschen. Menschen mit Migrationshintergrund haben aber offenbar besonders große Vorbehalte gegen eine professionelle Unterstützung durch Pflegedienste und vor allem auch gegen Pflegeheime.
Das ist eines der Ergebnisse einer Untersuchung zu Alterns- und Pflegevorstellungen von Migranten russischer und türkischer Herkunft, die das Institut für Medizinische Soziologie der Berliner Charité im Auftrag der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) durchgeführt hat.
"Vor allem Migranten der ersten Generation erwarten, dass die nachfolgende Generation die Pflegeleistungen übernimmt", resümierte die Studienleiterin Dr. Liane Schenk bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin.
Trotz der offenbar noch vorherrschenden Ablehnung professioneller Pflege sind sich Experten einig: Der Pflegebedarf bei Senioren mit Migrationshintergrund wird steigen.
Denn der Anteil der über 65-jährigen Bevölkerung mit Migrationshintergrund wird nach Angaben des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) von derzeit 1,4 Millionen bis zum Jahr 2030 auf 2,8 Millionen wachsen.
Das Wissen der Migranten um die Pflegeangebote ist laut Charité-Studie sehr lückenhaft. "Allerdings gibt es Unterschiede im Wissensstand verschiedener Migrantengruppen", ergänzte Schenk.
So seien die älteren Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion in der Regel am besten informiert.
Hohe Bedeutung: Pflegekräfte mit Migrantionshintergrund
Die Studie macht außerdem deutlich, dass die Akzeptanz professioneller Pflegedienste davon abhängt, ob diese muttersprachlich und kultursensibel ausgerichtet sind.
Pflegekräfte, die sich in die Mentalität der Pflegebedürftigen hineinversetzen können, weil sie aus demselben Kulturkreis stammen, bauen Hürden ab.
So würden sich einige Migranten mit türkischen Wurzeln weigern, in einem Pflegeheim ohne türkisches Personal betreut zu werden.
Dieses Verhalten resultiert laut Studienleiterin Schenk aus der Angst, sich nicht erklären und das Personal nicht verstehen zu können. "Die Sprache ist auch wichtig, um soziale Kontakte zu pflegen."
"Deshalb hat ein Gespräch in der Muttersprache nicht nur eine Bedeutung für die Verständigung auf kognitiver, sondern auch auf der emotionalen Ebene", erklärte die Wissenschaftlerin.
Aus diesem Grund hätten die muttersprachlichen Mitarbeiter für eine Öffnung der sozialen Einrichtungen eine fundamentale Bedeutung, so Emine Demirbüken-Wegner, Staatssekretärin in der Berliner Gesundheitssenatsverwaltung.
Es sei wichtig, einerseits das Bewusstsein aller Pflegefachkräfte für die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Migrationshintergrund zu schulen und andererseits mehr Menschen mit Migrationshintergrund und entsprechenden Sprachkenntnissen für pflegerische und medizinische Berufe zu gewinnen.