Innovationsfonds

Integrierte Versorgung vor zweiter Chance

Fast sechs Jahre nach Auslaufen der Anschubfinanzierung soll der Innovationsfonds wieder Schwung in die Integrierte Versorgungslandschaft bringen. Ob er das schafft, soll diesmal zwingend evaluiert werden.

Von Martina Merten Veröffentlicht:
Ein Teil soll bei der IV-Versorgung ins andere passen.

Ein Teil soll bei der IV-Versorgung ins andere passen.

© Aleksandrovich / Fotolia.com

BERLIN. Fragt man Professor Axel C. Mühlbacher, was von der Integrierten Versorgung im Jahr 2014 übrig geblieben ist, so antwortet er: nicht viel.

Der Boom an Verträgen, die zu Zeiten der Anschubfinanzierung in den Jahren 2004 bis 2008 entstanden sind, sei vorbei, sagt der Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Brandenburg. Lediglich Projekte wie das "Gesunde Kinzigtal" oder "prosper" der Bundesknappschaft, welche beide einen bevölkerungsbezogenen Ansatz verfolgen, seien weiterhin aktiv.

Der Grund für diese Entwicklung ist Mühlbacher zufolge nicht schwer zu finden: Der Druck der Kassen, die Kosten zu senken und gleichzeitig bessere Qualität zu erzielen, sei zu groß gewesen.

Offen bleibe, inwieweit der Innovationsfonds an dieser Situation etwas ändern kann. Das Gesetz zur Verbesserung von Qualität und Versorgung im Gesundheitswesen, zu dem die Anhörungen in Kürze beginnen und in dem die Feinheiten zum geplanten Innovationsfonds festgelegt werden, ist kein Erfolgsgarant.

Rot-Grün schob die IV kräftig an

Nicht alle sind so kritisch, wenn es um das ehemalige Prestigeprojekt der rot-grünen Bundesregierung und um dessen Zukunft geht. Rot-Grün hatte mit dem GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2004 die sogenannte Anschubfinanzierung gemäß Paragraf 140d SGB V eingeführt.

Danach hatte jede Krankenkasse zur Förderung der Integrierten Versorgung von 2004 bis Ende 2008 ein Prozent der Gesamtvergütung, die an die KVen und die Krankenhäuser zu entrichten ist, einzubehalten. Dieses Geld sollte helfen, um intersektoralen Projekten auf die Beine zu helfen.

Bis 2008 kam es zum Abschluss von mehr als 6000 Verträgen. Die Zahl der eingeschriebenen Versicherten lag bei knapp 1,7 Millionen.

Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung, Professor Stefan Spitzer, war die Anschubfinanzierung eine gute Sache. "Ohne diesen finanziellen Anreiz wäre die IV bereits damals stagniert.

Nur so war es möglich, verkrustete Strukturen aufzubrechen und neue Versorgungskonzepte zu erproben", sagt Spitzer.

Fakt ist, dass die IV trotz Auslaufen der Anschubfinanzierung noch existiert - auch, wenn es seitdem extremruhig um die neuen Versorgungsformen geworden ist. Der letzte Stand zur Zahl an Verträgen ist einer Befragung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) aus dem Jahr 2012 zu entnehmen.

Danach sind die Verträge nach 2008 nicht ausgestorben, wie viele geunkt haben. Im Jahr 2011 gab es 6339 IV-Verträge, beinahe zwei Millionen Versicherte waren eingeschrieben.

Richtig ist dem SVR-Bericht zufolge aber auch, dass nur einige wenige Kassen, darunter die Knappschaft, eine tragende Rolle bei der IV spielen. Und nicht zuletzt, dass sich die Hoffnungen der Teilnehmer, allen voran der Kassen, auf Kostensenkungen nicht erfüllt haben.

Nach Ansicht von Spitzer konnten sie das auch nicht, schließlich seien die 1,35 Milliarden Euro, die bis 2011 aus der Gesamtvergütung in die IV flossen, nicht ausreichend gewesen.

"Viele IV-Verträge standen unter dem Damoklesschwert, jederzeit gekündigt zu werden", sagt auch Helmut Hildebrandt, Vorstand der OptiMedis AG und Geschäftsführer der Gesundes Kinzigtal GmbH. Schließlich hätten die Kassenmanager ihre Haushaltslage nach Auslaufen der Anschubfinanzierung immer im Hinterkopf haben müssen.

Wirkt der GBA als Bremse?

Doch welche Wirkung wird der geplante Innovationsfonds auf integrierte Versorgungslösungen haben? Werden die 300 Millionen Euro - davon 75 Millionen Euro für die Versorgungsforschung - ausreichen, die dem Fonds zur Verfügung stehen sollen?

Spitzer von der DGIV und OptiMedis- Chef Hildebrandt zeigen sich optimistisch. Sie halten den Fonds für ein hilfreiches Element, doch die Rahmenbedingungen müssten stimmen.

Hier liegt die Krux: Geplant ist bisher, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) über die Vergabe der Mittel entscheidet, die für Versorgungsleistungen über die Regelversorgung hinausgehen und für die Versorgungsforschung zur Verfügung stehen.

"Ich hoffe, das Ausschreibungsverfahren über den GBA wird nicht innovationsfeindlich ablaufen", sagt Hildebrandt. Die Zuständigkeit des GBA als Organ der Selbstverwaltung für Entscheidungen über die Mittelvergabe aus dem Fonds sei problematisch, meint DGIV-Vorstand Spitzer.

Nach vier Jahren plant die Regierung nach jetzigem Stand, die IV zu evaluieren. Darauf sollte sich der Blick richten: Denn, wie Mühlbacher betont, weiß niemand - außer einigen Versorgungsexperten - so wirklich, was die IV gebracht hat.

Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Lesetipps
Ein Mann hat Kopfweh und fasst sich mit beiden Händen an die Schläfen.

© Damir Khabirov / stock.adobe.com

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Der gelbe Impfausweis

© © mpix-foto / stock.adobe.com

Digitaler Impfnachweis

eImpfpass: Warum das gelbe Heft noch nicht ausgedient hat

Ein Aquarell des Bundestags

© undrey / stock.adobe.com

Wochenkolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zum Ampel-Aus: Eigenlob und davon in rauen Mengen