Kommentar zu Chefarzt-Boni
Irrweg der Ordnungspolitik
Mengenorientierte Leistungsanreize für leitende Krankenhausärzte sind ein Irrweg. Dass Marburger Bund und Bundesärztekammer (BÄK) sich in einer Art konzertierter Aktion gegen die Chefarzt-Boni stemmen, ist daher nur zu loben.
Gut zehn Jahre nach der Einführung des DRG-Systems dämmert es der Branche langsam, wie viel Platz das ärztliche Ethos dem betriebswirtschaftlichen Denken moderner Krankenhausverwalter bereits eingeräumt hat.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin beklagte im Juli die neue Terminologie: Krankheiten hätten Warencharakter angenommen, Ärzte würden als Anbieter bezeichnet.
Ein von den Kassen in Auftrag gegebenes Gutachten brachte im Sommer Patienten und Stückkosten in einen unmittelbaren Zusammenhang.
Der Arzt hat in diesem schleichenden Prozess der Ökonomisierung viel von seinem Gewicht in den und seinem Einfluss auf die früheren Einrichtungen der Daseinsfürsorge und heutigen Krankenhauskonzerne verloren.
Diesen Prozess wollen Ärzteverbände und Standesorganisationen nun stoppen. Ein Hebel ist die Attacke auf die Chefarzt-Boni. Zu nahe geraten die auf die Produktion von Menge angewiesenen Operateure an die Grenze von Korruption, manche möglicherweise darüber hinaus.
Die BÄK ist längst überzeugt, dass Boni den Patienten schaden. Und damit auch dem Ansehen der Ärzte in der Öffentlichkeit.
Darüber dürfen zwei Punkte nicht vergessen werden. Erstens: Es sind Ärzte, die die umstrittenen Verträge unterschreiben. Sich für die wirtschaftlichen Risiken von Klinikunternehmen in Mithaftung nehmen zu lassen, kann gegenüber den Mitbewerbern einen Vorteil bedeuten.
Zweitens: Die Ordnungspolitik versagt, weil sie wirtschaftliches Denken und verantwortungsvolles ärztliches Handeln nicht integrieren kann oder nicht zusammenbringen will.
Sie stellt die Kliniken in den ruinösen Wettbewerb, der die Missverhältnisse zwischen Morbidität und möglicherweise durch Chefarzt-Boni ausgelösten Operationszahlen erst erzeugt.
Lesen Sie dazu auch den Bericht: BÄK plant: Pranger für Chefarzt-Verträge