COVID-19

Jedes zweite Corona-Opfer lebte im Heim

Eine Studie bestätigt, dass Pflegeheime ein Hotspot für COVID-19-Erkrankungen sind. Die Vermeidung von Erstinfektionen ist daher von überragender Bedeutung.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Unterhaltung durch die Glasscheibe: Noch im Mai waren Besuche von Angehörigen unmöglich. Eine Studie bestätigt die Wichtigkeit, Erstinfektionen in Pflegeheimen zu vermeiden.

Unterhaltung durch die Glasscheibe: Noch im Mai waren Besuche von Angehörigen unmöglich. Eine Studie bestätigt die Wichtigkeit, Erstinfektionen in Pflegeheimen zu vermeiden.

© Christophe Gateau / dpa / picture alliance

Bremen. Vor allem pflegebedürftige Menschen sterben an einer Infektion mit dem Corona-Virus. 60 Prozent aller Corona-Toten sind Menschen, die in Pflegeheimen oder von ambulanten Pflegediensten betreut wurden. Das ist ein Ergebnis aus der Studie einer Forschergruppe an der Universität Bremen.

In die Berechnung gingen Befragungsdaten von 824 Pflegeheimen, 701 Pflegediensten und 96 teilstationären Einrichtungen ein, sagt der Gesundheitsökonom Professor Heinz Rothgang vom SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen der „Ärzte Zeitung“. Rothgang hat die Studie zusammen mit Pflegeprofessorin Karin Wolf-Ostermann vom Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Uni Bremen erstellt.

Sterblichkeit ist 50 Mal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung

Werden die Ergebnisse der Online-Befragung auf ganz Deutschland hochgerechnet, so zeige sich, dass 60 Prozent aller Corona-Toten in Pflegeheimen (49 Prozent) oder von ambulanten Diensten (zwölf Prozent) versorgt wurden. Aber der Anteil an Infizierten betrage insgesamt nur 8,5 Prozent (sieben plus 1,5 Prozent).

Die Hälfte aller Todesfälle durch SARS-CoV2-Virus treten in Pflegeheimen auf, obwohl nur knapp ein Prozent der Bevölkerung in Pflegeheimen lebe, so die Forscher. Die Sterblichkeit unter Pflegebedürftigen sei mehr als 50 Mal so hoch wie im Rest der Bevölkerung, folgert Rothgang.

Aber auch die Pflegenden sind betroffen. Jedes fünfte Pflegeheim und jeder zehnte Pflegedienst ist von Erkrankungsfällen bei Mitarbeitern betroffen. Der Anteil der erkrankten Mitarbeiter ist in Pflegeheimen mit 18,9 Prozent sechsmal so hoch wie in der Normalbevölkerung und bei ambulanten Pflegediensten mit neun Prozent doppelt so hoch, so die Autoren der Studie.

Drei Viertel der Heime ohne Infektion

Allerdings verzeichneten drei Fünftel der Pflegedienste und drei Viertel der Pflegeheime gar keinen Erkrankungsfall. „Ein Ergebnis, das uns überrascht hat“, sagt Rothgang. Es zeige, dass die Schutzmaßnahmen zwar erfolgreich sind. Aber wenn der Erreger eingeschleppt wurde, infizierte er viele Menschen.

Erstinfektionen müssten deshalb konsequent vermieden werden und Schutzkonzepte sollen die Ausbreitung unter Bewohnern und Personal verhindern, so die Forscher. Dazu fordern sie regelmäßige Reihentests, deren Ergebnisse schneller vorliegen sollen und eine bessere Versorgung mit Schutzmaterialien. Nur so könne über die akute Pandemiesituation hinaus die Versorgungssicherheit in der Pflege gewährleistet werden, so das Fazit der Studie.

Aber: Wenn sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die klinische und intensivmedizinische Versorgung von Infizierten richte, werde die dauerhafte Versorgung der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppe immer prekärer, warnen die Forscher.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Gemeindenotfallsanitäter und Surveillance-System in außerklinischer Intensivpflege

Innovationsausschuss vergibt Prüfaufträge

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Im Vordergrund Savanne und eine Giraffe, im Hintergrund der Kilimandscharo.

© espiegle / stock.adobe.com

Erhöhtes Thromboserisiko

Fallbericht: Lungenembolie bei einem Hobby-Bergsteiger

Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass eine chronische Lebererkrankungen ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer akuten Pankreatitis ist. Sie betonen aber, dass für eine endgültige Schlussfolgerungen die Fallzahlen teils zu gering und die Konfidenzintervalle zu weit sind.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Mehr Komplikationen, höhere Sterblichkeit

Akute Pankreatitis plus CLD – eine unheilvolle Kombination

Einweg-E-Zigaretten

© Moritz Frankenberg / dpa

Vaping

Konsum von fruchtigen E-Zigaretten im Trend