Rollende Arztpraxis
KV Hessen sieht ihren Medibus gut ausgelastet
Seit gut einem Jahr steuert die rollende Arztpraxis ländliche Gemeinden in Hessen an und behandelt täglich zwischen 25 und 30 Patienten.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Der Medibus rollt und rollt. An vier Tagen die Woche durch fünf nordhessische Gemeinden, in denen es mit der hausärztlichen Versorgung hapert. Seit gut einem Jahr ist die mobile Arztpraxis inzwischen im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in den Landkreisen Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg unterwegs – und die Betreiber zeigen sich zufrieden: „Die Inanspruchnahme ist insgesamt sehr rege“, berichtet die KV.
In Zahlen bedeutet dies, dass gut 2000 Patienten von Anfang Juli vergangenen Jahres bis Mitte Mai im Medibus behandelt wurden, wie die KV auf Anfrage mitteilt. Durchschnittlich besuchen den Angaben zufolge 25 bis 30 Patienten täglich die mobile Praxis.
Dies geht von Montag bis Donnerstag in Nentershausen, Cornberg, Weißenborn, Sontra und Herleshausen. 28 Stunden pro Woche ist die Praxis auf Rädern geöffnet, die Sprechstunden seien „bestens ausgelastet“, heißt es seitens der KV. Zum Start im Juli 2018 lag auch noch die Gemeinde Ringgau auf dem Streckenplan, doch dieser Standort wurde wegen stetig gesunkener Besucherzahlen aufgegeben.
Die freigewordenen Kapazitäten erhielt im April Nentershausen mit einem zweiten Stop zugeschlagen. Dort war die Versorgungslage noch prekärer geworden, weil eine Arztpraxis geschlossen hatte.
Die Stärke des Medibus
Dieses rasche Umsteuern sieht die KV als eine Stärke des Medibus: Jederzeit rasch auf Versorgungsprobleme und Patientenaufkommen reagieren zu können. Grundsätzlich soll das Gefährt die Patientenversorgung in Gemeinden sicherstellen. Der Arzt im Medibus soll die niedergelassenen Kollegen dort bei Überlastung oder Abwesenheit unterstützen.
Auch bei der ärztlichen Besetzung gab es bereits einen Wechsel: Der zu Beginn tätige Dr. Matthias Roth ist Ende Juni ausgestiegen, um eine eigene Praxis in Bayern zu eröffnen. Nachfolger ist der Offenbacher Allgemeinmediziner Dr. Rainer Gareis. Die Ärzte sind Angestellte der KV und tragen kein finanzielles Risiko.
Mit an Bord sind ein bis zwei Medizinische Fachangestellte. Dem Team steht die Ausrüstung einer hausärztlichen Praxis zur Verfügung inklusive EKG und einem kleinen Labor. Ist eine Weiterbehandlung bei einem Facharzt nötig, kann die Terminservicestelle der KV hinzugezogen werden. Die Patienten erhalten einen ausführlichen Behandlungsbericht für ihren Haus- oder weiterbehandelnden Facharzt.
Welche Patienten werden im Medibus behandelt?
Behandelt wurden laut Erhebungen der KV bislang sowohl akute Beschwerden wie starke Übelkeit, Verletzungen, Wunden und Infektionen als auch chronische Beschwerden wie Bluthochdruck, Diabetes, Hypercholesterinämie, Adipositas, Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz. Die meisten Behandlungen entfallen auf Menschen zwischen 55 bis 75 Jahren mit einem Anteil von gut 39 Prozent, gefolgt von den 76- bis 100-Jährigen (28,5 Prozent) und den 18- bis 54-Jährigen (26,1 Prozent). Kaum eine Rolle spielen Kinder und Jugendliche: Die Altersgruppe bis vier Jahre macht nur 1,1 Prozent aus, die 5- bis 17-Jährigen fünf Prozent.
Die Kosten lägen im geplanten Budget von 600.000 Euro für die auf zwei Jahre anberaumte Pilotphase, berichtet die KV. Damit sei der Medibus teurer als eine Hausarztpraxis vor Ort, räumt die Körperschaft des öffentlichen Rechts ein, denn es handele sich ja nicht um ein langfristiges Investment wie Praxisräume für eine Niederlassung.
Nichtsdestotrotz hat der Bus bereits zwei Auszeichnungen eingeheimst. So erhielt die KV im März den Innovationspreis „Ausgezeichnete Gesundheit 2019“ des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) im Bereich „Versorgung mit Sicherheit“. Eine weitere Würdigung erhielt die Bahn-Tochter DB Regio als Inhaber und Vermieter des Medibusses (die KV ist Mieter): den Deutschen Mobilitätspreis der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und des Bundesverkehrsministeriums.
Trotz der Ehrungen ist und bleibt der Bus aber nur eine Übergangslösung, wie die KV selbst sagt. Man setze alles daran, Ärzte für eine Niederlassung oder für eine Anstellung in ländlichen Regionen zu motivieren.
Sachsen will auf den Medibus aufspringen
- Das sächsische Kabinett sieht in einem 20-Punkte-Programm zur medizinischen Versorgung den verstärkten Einsatz von Patientenbussen vor.
- Die Landesärztekammer Sachsen nennt Weißwasser und Marienberg als Modellregionen zur Erprobung mobiler Arztpraxen.
- Im Mai hat Sachsen bereits das Projekt „Impfbus“ gestartet, der Berufsschüler im Freistaat über Impfungen aufklären und sie ihnen auch anbieten soll.