Streit ums Krankengeld

Kassen-Aufsicht bürstet BKK-Vorstoß ab

Bis zur letzten Minute versuchen die Betriebskrankenkassen, Änderungen am Berechnungsmodus für das Krankengeld zu erreichen. Für die Kassenart stünden bis zu 150 Millionen Euro jährlich auf dem Spiel. Doch das Bundesversicherungsamt warnt, dem Druck der Betriebskassen nachzugeben.

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BERLIN. Die Betriebskrankenkassen haben in ihrem Kampf um höhere Zuweisungen für Krankengeld aus dem Risikostrukturausgleich schlechte Karten beim Präsidenten des Bundesversicherungsamts (BVA).

BVA-Chef Dr. Maximilian Gaßner warnte ausdrücklich davor, dem Drängen der BKKen nachzugeben. In seiner Stellungnahme für die Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags am Mittwoch bezeichnet er die in der aktuellen Gesundheitsreform vorgesehene Regelung als "ausgewogen und sachgerecht".

Seit Wochen wollen vor allem die Betriebskassen Änderungen am Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (FQWG) erreichen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Zuweisungen zur einen Hälfte nach den tatsächlich anfallenden Aufwendungen der Kassen errechnet werden, zur anderen Hälfte nach einem Standardisierungsverfahren, das sich am Alter und Geschlecht ihrer krankengeldberechtigten Versicherten orientiert, aber unabhängig von deren Einkommen ist.

Die Betriebskassen plädieren dafür, diesen zweiten Faktor durch eine Grundlohnkomponente zu ergänzen, wobei sich der Berechnungsalgorithmus zu 70 Prozent an den Grundlöhnen orientieren soll.

Das lehnt Gaßner strikt ab: Die "einseitige Bevorteilung grundlohnstarker Körperschaften" führe "zu einem systemwidrigen, willkürlichen Eingriff in die Finanzierungssystematik der GKV", schreibt der BVA-Chef.

Die eine Kasse erhält zu wenig, die andere zu viel

Gaßner stellt infrage, ob Kassen mit überdurchschnittlich gut verdienenden Mitgliedern überhaupt Nachteile bei den Zuweisungen für Krankengeld erleiden. Bei Analysen zum Zusammenhang zwischen der Einkommensstärke der Mitglieder und dem Deckungsgrad der Kassen habe sich kein "signifikanter Zusammenhang" nachweisen lassen.

Allerdings bestätigt der Leiter der Aufsichtsbehörde, dass im bisherigen Berechnungsverfahren die Deckungsquote, (also das Verhältnis zwischen den Ausgaben einer Kassen und den Zuweisungen, die sie erhält) stark schwankt.

Im Extremfall konnte eine Kasse im Jahr 2012 nur 51 Prozent ihrer Ausgaben für Krankengeld durch Zuweisungen decken, im anderen Fall erhielt eine Kasse 281 Prozent, also das 2,8-Fache ihrer tatsächlichen Ausgaben. GKV-weit stehen im Verteilungsstreit um das Krankengeld bis zu 500 Millionen Euro auf dem Spiel.

Die Betriebskassen argumentieren, die beitragspflichtigen jährlichen Löhne und Gehälter ihrer krankenversicherten Arbeitnehmer lägen rund 2700 Euro über dem GKV-Durchschnitt. Da die Höhe des Krankengeldes maßgeblich vom Grundlohn bestimmt werde, dies sich im Gesetzentwurf aber nicht widerspiegelt, würden dem BKK-System beim Krankengeld 150 Millionen Euro jährlich entgehen.

Unterstützung für seine Position erhält Gaßner vom Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem. Der Wissenschaftler spricht sich wie der BVA-Chef dafür aus, die bestehenden Wissenslücken bei der Zuweisungssystematik erst durch Vergabe von Forschungsaufträgen zu schließen.

Vorab einzelne Fehler korrigieren zu wollen, "verschlechtert die Situation weiter", schreibt Wasem. (fst)

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Dr. Andreas Braun 22.05.201410:04 Uhr

BVA verdreht die Tatsachen zum Vorstoß der BKK

Die Stellungnahme von Dr. Gassner kann nicht nachvollzogen werden. Fakt ist, dass es im heutigen Morbi-Risikostrukturausgleich eine einseitige Benachteiligung grundlohnstarker gesetzlicher Krankenkassen beim Ausgleich der Krankengeldausgaben gibt. Es geht lediglich darum diese Gerechtigkeitslücke eines zu stark auf Morbidität (und somit manipulierbar) fixierten Systems zu schließen. Welche Lobby das BVA daran hindert diese offensichtliche Regelungslücke vernünftig zu beseitigen, kann nur vermutet werden. Unabhängig davon, wird durch die morbiditätsbedingten Koppelungen der Geldströme im Gesundheitswesen mittelfristig ein Volk von chronisch kranken Menschen produziert. Wenn Krankenhäuser und Ärzte durch Morbidität die Vergütung steigern und Krankenkassen durch Morbidität mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds abziehen können, dann kann die Anzahl der Diagnosen nur steigen (monetärer Anreiz auf beiden Seiten hoch). Volkswirtschaftlich werden hier falsche Anreize gesetzt und man sollte zu nicht beeinflussbaren Parametern zur Verteilung der Gelder zurückfinden.

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