Sterbebegleitung
Koalition setzt verstärkt auf Vertragsärzte
Die Koalition will die Hospiz- und Palliativversorgung demografiefest machen. Ärzte warnen vor "Versorgung light".
Veröffentlicht:BERLIN. Am Ende des Lebens plagen Menschen Ängste. Angst vor dem Ausgeliefertsein an eine anonyme Medizin, Angst vor Schmerzen und vor Einsamkeit.
Darauf reagiert die große Koalition mit einem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung. Ein Referentenentwurf liegt seit Mittwoch vor.
Den niedergelassenen Ärzten wollen die Autoren des Gesetzentwurfes aus dem Gesundheitsministerium zusätzliche Aufgaben übertragen, um die Qualität der Sterbebegleitung in stationären Pflegeeinrichtungen aufzuwerten. Dafür soll die Pflege am Lebensende ausdrücklich als gesetzlicher Versorgungsauftrag der Pflegeversicherungen formuliert werden.
Ausgaben könnten bis 600 Millionen Euro steigen
Für die palliativmedizinische Qualifikation von Vertragsärzten sowie deren verstärkte Einsätze in Heimen sollen die Kassen künftig mehr als einhundert Millionen Euro zusätzlich bereitstellen.
Was dadurch an Klinikaufenthalten, Transporten und Medikation gespart werden könne, sei nicht quantifizierbar, heißt es im Entwurf.
Insgesamt, so wird in Ministeriumskreisen geschätzt, dürften die Ausgaben für die Hospiz- und Palliativversorgung um mindestens 200 Millionen auf 600 Millionen Euro im Jahr steigen.
"Das wächst auf", heißt es dazu lapidar. Im vergangenen Jahr sind über 800.000 Menschen gestorben. Diese Zahl wird sich in absehbarer Zeit vorübergehend auf deutlich mehr als eine Million erhöhen.
Mit dem Gesetz will die Koalition daher auch die Lücken in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) schließen, die vor allem in ländlichen Regionen klaffen.
Um mehr Palliative Care Teams in die Versorgung zu bringen, sollen Schiedsverfahren die Differenzen zwischen Kassen und Ärzteteams in Fragen der Struktur- und Prozessqualität ausräumen helfen. Allerdings sollen, so heißt es im Gesundheitsministerium, bereits bestehende Verträge Rechtssicherheit erhalten.
Palliativleistungen auch für Menschen, die zu Hause gepflegt werden
Der Vorsitzende der Deutschen PalliativStiftung, Thomas Sitte, warnt davor, eine SAPV-light zu fördern, die es regional unterschiedlich bereits jetzt gebe.
"Virtuelle Palliative Care Teams sind in der Leistungsfähigkeit nicht mit vollprofessionellen Teams zu vergleichen", sagte Sitte der "Ärzte Zeitung". Das neue Gesetz dürfe die Qualität der Versorgung daher nicht auf niedrigem Niveau einfrieren.
Grundsätzlich lobt aber auch der Fachmann die im Ministerium geleistete Arbeit. Vor allem die Stärkung der Pflegeeinrichtungen und Kinderhospize sowie die zusätzlichen Beratungsangebote seien gelungen. Hospize sollen künftig 95 Prozent ihrer Kosten statt bisher 90 Prozent erstattet bekommen.
Gleichzeitig soll der Mindestzuschuss pro Tag von 198 auf 255 Euro steigen. Palliativleistungen sollen aber auch Menschen zukommen können, die zu Hause gepflegt werden. Das soll der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie festhalten.
Einen Ausbau der Palliativversorgung in Pflegeeinrichtungen und mehr Vernetzung der Palliativärzte hat die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin gefordert.
Die Angebote an Sterbende blieben auch weiterhin hinter dem Bedarf zurück. So verfügten lediglich 15 Prozent der Krankenhäuser über Palliativstationen, heißt es in einer Mitteilung des Verbands.
Auch Sterbehilfegesetz wird beraten
Das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung ist in Zusammenhang mit dem geplanten "Sterbehilfegesetz" gestellt worden, das in fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen ebenfalls in diesem Jahr beraten werden wird.
Die Union, so hieß es, wolle den Befürwortern des assistierten Suizids damit den Wind aus den Segeln nehmen.
Dem widersprach Gesundheitsminister Hermann Gröhe am Donnerstag: "Das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung hat einen eigenen Wert. Es ist gut, dass bei allen Kontroversen ein großer parlamentarischer Konsens über die Hilfe besteht, die wir schwerst kranken Menschen schulden," sagte er der "Ärzte Zeitung".
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