Nach Grundsatzurteil des BAG
Regierung sieht Regelungsbedarf bei 24-Stunden-Pflege
Nach dem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zur 24-Stunden-Pflege durch Betreuungskräfte aus dem Ausland machen Union und SPD Handlungsbedarf aus. Streit entzündet sich an der Frage der Finanzierung.
Veröffentlicht:Berlin. Das Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zur 24-Stunden-Hilfe durch ausländische Pflege- und Betreuungskräfte ruft die Politik auf den Plan. Das Thema stelle für Millionen von Familien „ein sehr wichtiges Thema“ dar, da es eine gewisse Zeit lang deren Alltag betreffe, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag vor Journalisten in Berlin. Es brauche daher eine gesetzliche Regelung.
Deutschland könne sich diesbezüglich Österreich zum Vorbild nehmen, betonte Spahn. Die Alpenrepublik habe für die Betreuung von Pflegebedürftigen durch ausländische Arbeitskräfte schon vor Jahren einen eigenen regulatorischen Rahmen geschaffen. Darin seien Arbeitsschutz und Arbeitszeiten geregelt.
Spahn: Brauchen zügig eine Regelung
Eine derartige Regelung sei in Deutschland und auch in der Bundesregierung bislang nicht konsensfähig gewesen, sagte Spahn. Er habe wahrgenommen, dass auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Regelungsbedarf sehe. „Wenn wir den gemeinsam sehen, dann können wir auch gemeinsam an einer Lösung arbeiten.“ Bisher habe das Arbeitsministerium einen Regelungsbedarf verneint.
Ob es noch zu einer Gesetzgebung in der laufenden Wahlperiode komme, sei allerdings fraglich, sagte Spahn. Eine neue Bundesregierung müsse das Thema daher „zügig, weil dringlich“ angehen.
Die Erfurter Richter hatten am Donnerstag in einem Grundsatzurteil festgehalten, dass ausländischen Beschäftigten, die ältere Menschen in ihren Wohnungen betreuen, der gesetzliche Mindestlohn zusteht. Dies gelte auch für Bereitschaftszeiten.
SPD wirbt für Bürgerversicherung
Arbeitsminister Heil sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv am Freitag, das Urteil aus Erfurt sei „wegweisend und richtig“. Jeder, egal ob er „aus Bukarest oder aus Bottrop“ komme, habe einen anständigen Lohn verdient. Mit Einführung einer „Pflege-Bürgerversicherung“ ließen sich auch im Haushalt lebende pflegebedürftige Personen besser absichern und unterstützen.
Spahn erwiderte, die Einführung einer „Bürgerversicherung oder Einheitsversicherung“ in Deutschland helfe den Betreuungskräften aus dem Ausland nicht. Der von ihm im Herbst 2020 vorgelegte Vorschlag für eine große Reform der Pflegeversicherung habe auch Regelungen zur möglichen Refinanzierung aus dem Pflegegeld für 24-Stunden-Kräfte enthalten, um betroffene Familien zu entlasten. Zu diesem Punkt habe es in der Koalition aber keine Einigung gegeben.
SPD-Fraktionsvize Bärbel Bas stellte am Freitag klar, es gehe darum, mit einer Bürgerversicherung in der Pflege Versicherte „generell stärker von pflegebedingten Kosten“ zu entlasten. Ihre Partei strebe auch an, legale haushaltsnahe Dienstleistungen durch Zuschüsse zu fördern. Gleichzeitig müssten Alternativen zur 24-Stundenbetreuung entwickelt und dazu Lücken bei den Assistenz- und Betreuungsleistungen geschlossen werden, sagte Bas. (mit dpa)