Hohe Energiepreise
Krankenhausgesellschaft fordert Inflationsausgleich von vier Prozent
Mehrkosten für Gas und Strom, teure Rechnungen externer Dienstleister: DKG-Chef Gerald Gaß sieht viele Kliniken am Rand der Zahlungsunfähigkeit. Vater Staat müsse helfen – mit etlichen Milliarden.
Veröffentlicht:Berlin. Angesichts steigender Energiepreise hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) einen Inflationsausgleich für die Kliniken in Höhe von vier Prozent gefordert.
Die Ausgleichszahlungen ließen sich in Form eines pauschalen Aufschlags auf alle Rechnungen im laufenden Jahr „einfach und unbürokratisch“ ermöglichen, sagte DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß am Montag. Die Kosten dürften aber nicht bei den Krankenkassen landen, sondern müssten vom Bund in Form eines höheren Zuschusses an die Kassen übernommen werden.
Vorgesehen sei für 2022 nur eine Steigerung der Krankenhauseinnahmen von 2,32 Prozent, so der DKG-Chef. Die Inflationsrate liege aber schon bei knapp acht Prozent und werde vermutlich noch auf zehn Prozent steigen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) müssten den Krankenhäusern daher schnell zur Seite springen, „um Insolvenzen und Schließungen zu vermeiden“.
Gaß: Da braut sich der perfekte Sturm zusammen
Da im Sommer alle Corona-Hilfen ausgelaufen seien, steuerten die Häuser auf wirtschaftlich schwere Zeiten zu. „Das werden wir insbesondere im Herbst und Winter spüren, wenn wieder mehr Corona-Patienten in den Kliniken behandelt werden müssen. Hier braut sich der perfekte Sturm zusammen“, warnte Gaß.
Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts unter 250 Kliniken geben 96 Prozent der Krankenhäuser an, die gestiegenen Kosten für Gas, Strom sowie Sachmittel und externe Dienstleister nicht mehr aus den laufenden Einnahmen bezahlen zu können.
Unterdeckung von bis zu zehn Milliarden Euro
Alleine die Energiekostensteigerungen brächten viele Kliniken an den „Rand der Zahlungsfähigkeit“, warnte Gaß und untermauerte dies mit folgender Rechnung: Ein Krankenhaus mittlerer Größe werde im kommenden Jahr über sechs Millionen Euro mehr für Gas und Strom bezahlen müssen. Auf alle bundesweit rund 1900 Kliniken hochgerechnet entstehe ein Fehlbetrag für die Häuser in Höhe von rund vier Milliarden Euro. Insgesamt gehe die DKG für das Jahr 2023 sogar von einer Unterdeckung von zehn Milliarden Euro aus.
Gaß betonte, der Bund habe in „vergangenen Krisen“ bereits unter Beweis gestellt, dass kurzfristige Finanzhilfen für Unternehmen auch in solcher Größenordnung möglich seien. Nun sei es an der Zeit, „dies auch für die Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu leisten“.
Die Ampel-Koalition hatte sich am Sonntag auf ein drittes Entlastungspaket in Höhe von 65 Milliarden Euro geeinigt. Darin enthalten sind unter anderem eine Energiepauschale für Rentner und Studierende und ein neues verbilligtes Nahverkehrsticket.
Bundesweite Aktion gestartet
Untermauern will die DKG ihre Forderung mit bundesweiten Veranstaltungen. Die werden zusammen mit den Landeskrankenhausgesellschaften organisiert und stehen unter dem Motto: „Alarmstufe Rot“. Dabei soll auch ein Info-Truck durch mehrere Städte rollen. Den Anfang machte am Montag Berlin, am Dienstag wird der Truck in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam erwartet. Geschaltet hat die DKG zudem eine Online-Petition an den Bundestag.
Gaß appellierte in diesem Zusammenhang auch an die Länder, die „Misere“ bei den Investitionskosten zu beenden. Jedes Jahr tue sich hier ein Defizit von drei Milliarden Euro auf – auch überfällige Investitionen in höhere Energieeffizienz seien in den vergangenen Jahren nicht erfolgt. Nötig sei daher ein Sonderinvestitionsprogramm von mindestens einer Milliarde Euro, um die Häuser klimaneutral umzubauen.
In Deutschland fußt die Krankenhausfinanzierung auf dem dualen Prinzip: Die Kassen sind für Betriebs- und die Länder für Investitionskosten zuständig.
Auch Pflegeanbieter rufen nach Ausgleich
Der Bund sieht sich derweil mit Ausgleichsforderungen auch anderer Versorgungsbereiche konfrontiert. So mahnte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) am Montag eine Direkterstattung der Energie-Mehrkosten an – ähnlich dem Verfahren beim Pflege-Rettungsschirm in der Corona-Pandemie.
Der sächsische bpa-Landesvorsitzende, Igor Ratzenberger, erklärte, viele Pflegeeinrichtungen im Freistaat stünden derzeit erheblich unter Druck. „Wenn sie keine Refinanzierung der explodierenden Energiekosten und der gestiegenen Lebensmittelpreise erhalten, ist das auf Dauer existenzbedrohend.“
Auf einen Inflationsausgleich pochen auch die Vertragsärzte. Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband verhandeln derzeit über die Honorare im kommenden Jahr – aktuell stecken die Verhandlungen aber fest. Sie sollen am 14. September fortgesetzt werden.