Arzneimittel
Kritik am Arzneiverordnungsreport hält an
Der neue Arzneiverordnungsreport (AVR) ist noch nicht erschienen, da rechnen Wissenschaftler den Autoren schon Fehler vor. Für die Pharmaindustrie ist dies sogar ein Politikum.
Veröffentlicht:BERLIN. Methodische Fehler haben die Professoren Dieter Cassel und Volker Ulrich den Autoren des Arzneiverordnungsreports 2012 (AVR) vorgeworfen.
Der auf Daten des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) aufbauende Report vernachlässige bei der Berechnung von Einsparpotenzialen systematisch die Verhältnisse auf dem Markt.
Cassel und Ulrich (Uni Bayreuth) kritisieren, dass im AVR gesetzliche Abschläge und Rabatte gar nicht oder nur unvollständig abgezogen werden. Zudem enthielten die Zahlen des AVR noch die Mehrwertsteuer.
Dadurch ergäben sich sowohl auf nationaler Ebene als auch bei Vergleichen mit den Arzneimittelkosten anderer Länder unrealistisch hohe Einsparpotenziale.
Statt bei den Apothekenverkaufspreisen sei es richtiger, bei den Herstellerabgabepreisen ohne Mehrwertsteuer anzusetzen, mahnten Cassel und Ulrich bei einer Pressekonferenz des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) am Dienstag in Berlin an.
Dem AVR fehle ein Methodenteil, der seine Berechnungen für Dritte nachprüfbar mache.
2012 war der AVR auf ein Einsparpotenzial von rund 8,4 Milliarden Euro gekommen. Insgesamt hat die gesetzliche Krankenversicherung 2012 29,2 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgegeben.
Mehr als 1000 Seiten
Der Arzneimittelreport 2013 soll am Donnerstag in Berlin vorgestellt werden. Auf mehr als 1000 Seiten legt das Werk alljährlich Trends in der Pharmakotherapie offen. Die Berechnungen zu den Einsparpotenzialen füllen davon nur etwa zehn Seiten.
Nicht nur die Methoden des AVR, Einsparpotenziale zu ermitteln, stehen in der Kritik. Die Autoren des AVR haben aus der Historie von pharmazeutischen Wirkstoffen Lebenszyklusverläufe dieser Wirkstoffe herauskristallisiert.
Darauf basiere der Bestandsmarktaufruf des Gemeinsamen Bundesausschuss, sagte Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Geschäftsführer des BPI. Die Nutzenbewertung von bereits im Markt etablierten Wirkstoffen ist Teil des Arzneimittelmarkneuordnungsgesetzes (AMNOG).
"Solange die AVR-Berechnungen einer methodischen Kritik nicht standhalten, dürfen diese nicht zur Grundlage gesundheitspolitischer Entscheidungen und zur Grundlage elementarer Prozesse im Gesundheitswesen werden," sagte Gerbsch.
Der AVR sei keine unabhängige Publikation. Er sei intransparent, werde vom AOK-Bundesverband verfasst und dann von der GKV an den Schaltstellen des AMNOG gegen die Industrie verwendet. (af)