Bedarfsplanung
Länder wollen Machtzuwachs moderat nutzen
Die neue Bedarfsplanung räumt den Ländern mehr Macht ein. Nordrhein-Westfalen setzt dabei auf Kooperation mit der Selbstverwaltung.
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Wo ist der größte Bedarf an Praxen? KVen fürchten, dass die Politik zuviel Einfluss nehmen könnte.
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DÜSSELDORF. Die neuen Handlungsmöglichkeiten der Länder bei der ambulanten Bedarfsplanung werden nicht zu Verwerfungen in der Versorgungslandschaft führen, erwartet Dr. Frank Stollmann, Leitender Ministerialrat aus dem nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium.
Sein Ministerium jedenfalls setze weiterhin auf die enge Abstimmung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, sagte Stollmann beim Regional-Forum des Bundesverbands Managed Care NRW. „Das Land Nordrhein-Westfalen beabsichtigt, mit dem neuen Spielraum verantwortungsbewusst umzugehen.“
Länder hatten nur Rechtsaufsicht
Bis zum Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) war die Bedarfsplanung die alleinige Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung, die Länder hatten lediglich die Rechtsaufsicht. „Das TSVG hat die Rolle der Länder in der Bedarfsplanung und insgesamt in der ambulanten Versorgung gestärkt“, betonte Stollmann.
So haben die Länder jetzt die Möglichkeit, in ländlichen oder strukturschwachen Regionen zusätzliche Vertragsarztsitze in gesperrten Gebieten auszuweisen. „Die neue Rolle des Landes ermöglicht grundsätzlich Eingriffe in die Kompetenzen der Selbstverwaltung.“
Über die Kriterien für die Bestimmung ländlicher oder strukturschwacher Regionen müssen sich die Selbstverwaltung und das Land verständigen. Handlungsbedarf für das Land könne durch externe Rückmeldungen und Hinweise auf Versorgungsprobleme erkennbar werden, etwa durch Eingaben von Bürgern, Bürgermeistern und Abgeordneten oder durch Presseberichte.
Im Juni hat es bereits einen ersten Austausch auf der Fachebene zwischen dem Ministerium und den KVen gegeben, berichtete Stollmann. „Man wird sehen müssen, ob es überhaupt notwendig wird, von der erweiterten Länderkompetenz Gebrauch zu machen.“
Nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden der KV Nordrhein (KVNo) Dr. Frank Bergmann ist mit der veränderten Rolle der Länder vor allem ein Risiko verbunden: „Es eröffnet sich die Möglichkeit, politische Standorte durchzusetzen“, warnte er. Das kenne man schließlich aus der Krankenhausplanung. Bergmann begrüßte die Ankündigung Stollmanns, dass NRW auf einvernehmliche Lösungen setze. „Bei diesem Ziel haben Sie uns als KV auf Ihrer Seite.“
Bei den verschiedenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung suche die KVNo ohnehin die Kooperation mit den Kommunen. „Wir wissen nicht erst seit dem TSVG, dass wir die Versorgung in den Regionen am besten gemeinsam hinbekommen“, betonte er. Die KVen müssten dafür sorgen, dass die vertragsärztliche Tätigkeit attraktiv bleibt. Land und Kommunen müssten sich um die Standortfaktoren kümmern. „Jeder macht das, was er am besten kann!“
Bei Versorgungsengpässen führe an gemeinsamen regionalen Lösungen kein Weg vorbei, findet auch Tom Ackermann, Chef der AOK Nordwest. „Es gibt hier keine Blaupausen. Was im Sauerland funktioniert, muss in der Eifel oder am Niederrhein nicht funktionieren.“ Die Herausforderung liege nicht nur in der bedarfsgerechten Planung. „Es geht zunehmend um die sektorübergreifende Versorgungsplanung.“
Neuorientierung notwendig
Sie darf sich nach Ansicht von Ackermann nicht mehr an Krankenhausbetten oder Arztsitzen orientieren. Entscheidend werde die Ermittlung des regionalen Leistungsbedarfs, und zwar auf Basis von Morbiditätsdaten sein. Daraus ließen sich dann die benötigten Versorgungskapazitäten ableiten.
Die Steuerung der Versorgung sei bislang aus guten Gründen der gemeinsamen Selbstverwaltung überlassen, sagte der AOK-Chef. „Ich frage mich, ob die Politik sich das antun und die Verantwortung für die Steuerung der lokalen Versorgung übernehmen möchte.“