Finanzierung

Lauterbach verteidigt Pläne für Pflegereform

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will den Beitragssatz zur Pflegeversicherung anheben, allerdings nicht für alle. Doch seine Pläne stoßen auch auf Kritik. Die geplante Anhebung des Pflegegeldes etwa geht einigen nicht weit genug.

Veröffentlicht: | aktualisiert:
 „Die Pflegebedürftigen haben unsere volle Solidarität verdient“: Gesundheitsminister Lauterbach verteidigt seine Pläne für eine Pflegereform, die auch die künftige Finanzierung sicherstellen soll. 

„Die Pflegebedürftigen haben unsere volle Solidarität verdient“: Gesundheitsminister Lauterbach verteidigt seine Pläne für eine Pflegereform, die auch die künftige Finanzierung sicherstellen soll.

© Wolfgang Kumm / picture alliance / dpa

Berlin. Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) hat seine Pläne für eine Pflegereform verteidigt, um Entlastungen und eine stabilere Finanzierung zu erreichen. „Die Pflegebedürftigen haben unsere volle Solidarität verdient“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Da die Kosten von guter Pflege steigen, darf die Solidargemeinschaft nicht wegschauen und diese höheren Kosten den zu Pflegenden und ihren Angehörigen überlassen.“ Zur Finanzierung soll der Pflegebeitrag zum 1. Juli erhöht werden und nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stärker danach unterscheiden, ob man Kinder hat oder nicht. Größere Familien würden davon profitieren.

Lauterbach sagte: „In einer menschlichen Gesellschaft muss uns die Pflege Hochbetagter mehr wert sein. Dass immer mehr Menschen nach einem arbeitsreichen Leben in die Sozialhilfe abrutschen, werden wir nicht akzeptieren.“ In Heimen, aber ganz besonders bei der Pflege zu Hause müssten Leistungen deutlich verbessert werden. Gleichzeitig gelte es, die Finanzierung der Pflegeversicherung zu stabilisieren.

Allgemeiner Beitragssatz soll bereits ab Juli steigen

Laut dem Entwurf des Ministeriums für die Pflegereform (wir berichteten) soll der allgemeine Beitrag zum 1. Juli „moderat um 0,35 Prozentpunkte“ angehoben werden. Noch liegt er bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder bei 3,40 Prozent. Gleichzeitig umgesetzt werden soll nun auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Eltern mit mehreren Kindern bessergestellt werden müssen als kleine Familien und Kinderlose.

Lesen sie auch

Konkret würden die Pläne dazu führen, dass Familien mit drei und mehr Kindern weniger zahlen als heute. Laut Entwurf läge der Beitrag bei drei Kindern künftig bei 3,10 Prozent – davon entfallen 1,40 Prozent auf die Versicherten und 1,70 Prozent auf die Arbeitgeber. Bei den Beiträgen für Menschen mit Kindern tragen bisher Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer je 1,525 Prozent.

Generell würde sich zum 1. Juli ein größerer Unterschied zwischen den Beiträgen mit und ohne Kinder ergeben – durch die Anhebung des allgemeinen Beitrags um 0,35 Punkte und zugleich eine ebenfalls vorgesehene Anhebung des Zuschlags für Kinderlose um 0,25 Punkte. Das führte laut einer Übersicht des Ministeriums dazu, dass der Beitrag ohne Kinder von nun 3,40 Prozent auf 4,00 Prozent steigt – davon 2,30 Prozent auf Beschäftigtenseite statt bisher 1,875 Prozent.

Teurer würde es auch für Familien mit einem Kind, für die der Beitrag laut Entwurf von 3,05 Prozent auf 3,40 Prozent steigen soll – dabei würde sich der Arbeitnehmeranteil von 1,525 Prozent auf 1,70 Prozent erhöhen. Mit zwei Kindern würde der Beitrag künftig bei 3,25 Prozent liegen – und der Arbeitnehmeranteil leicht auf 1,55 Prozent steigen.

Kassen pochen auf Steuermittel

Um immer höhere Kosten für Pflegebedürftige abzufedern, sehen die Reformpläne mehrere Entlastungen zum 1. Januar 2024 vor. So soll für Pflegebedürftige zu Hause das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld um fünf Prozent steigen. Für Pflegebedürftige im Heim sollen 2022 eingeführte Zuschläge angehoben werden. Dies soll den Eigenanteil für die reine Pflege künftig im ersten Jahr im Heim um 15 statt 5 Prozent drücken, im zweiten um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt bisher 70 Prozent.

Die Pflegekassen reagierten bereits am Freitag kritisch auf die Pläne. Sie vermissen die ordnungspolitisch gebotene Zuordnung der Finanzierung zwischen Staat und Beitragszahler.

Lesen sie auch

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warnte davor, Defizite an die Beitragszahler abzuwälzen. „Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind nicht unendlich belastbar“, sagte er dem RND und forderte eine Finanzierung versicherungsfremder Leistungen mit Steuerzuschüssen.

Anpassung des Pflegegelds „nicht ausreichend“

Holetschek forderte außerdem eine schnellere und deutlichere Anhebung des Pflegegeldes durch die Bundesregierung. Holetschek betonte am Sonntag in München: „ Eine so geringe Erhöhung des Pflegegelds nach sieben Jahren ist schlicht nicht akzeptabel“, wird der bayerische Gesundheitsminister in einer Mitteilung seines Ministeriums am Sonntag zitiert. Der Bundesgesetzgeber habe die Bundesregierung verpflichtet, die Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung alle drei Jahre zu überprüfen, davon sei das Pflegegeld nicht ausgenommen. „Andere Leistungen wurden Anfang 2022 erhöht, das muss für das Pflegegeld dringend nachgeholt werden“, so Holetschek.

Der Sozialverband VdK forderte ebenfalls dringend mehr Unterstützung für Pflegebedürftige zu Hause. „Die Anpassung des Pflegegeldes um fünf Prozent reicht bei den gegenwärtigen Preissteigerungen vorne und hinten nicht“, sagte Präsidentin Verena Bentele dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag).

bpa fordert Sofortpaket für Pflegeeinrichtungen

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) kritisierte Lauterbachs Pläne zur Entlastung der Pflegebedürftigen als unzureichend und fordert Maßnahmen zur Sicherung der Pflege. „Eineinhalb Jahre nach dem Koalitionsvertrag legt der Bundesgesundheitsminister einen Reformentwurf vor, der den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht wird. Das ist sehr wenig, sehr spät“, erklärte bpa-Präsident Bernd Meurer.

Nach teuren vorangegangenen Gesetzen wie dem GVWG seien die für die Pflegebedürftigen finanzierbaren Leistungen zusammengeschrumpft. Die jetzt vorgeschlagenen Leistungserhöhungen reichten nicht aus, um echte Entlastungen zu schaffen. Zudem nützten die Maßnahmen nichts, wenn Pflegebedürftige und ihre Angehörigen keinen Heimplatz, keine ambulante Versorgung oder keine Tagespflege finden könnten. „Auf die existenziellen wirtschaftlichen Bedrohungen der Pflegeeinrichtungen hat Minister Lauterbach keine Antwort gefunden. Er dreht mit weiteren bürokratischen Anforderungen sogar noch an der Belastungsschraube“, so Meurer. (dpa/eb)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Hans Christoph 27.02.202315:35 Uhr

Vorweg zur Klarstellung, Herr Professor Lauterbach ist der erste Bundesgesundheitsminister, der sich mit aller Redlichkeit / Ernsthaftigkeit bemüht, zumindest Verbesserungen im Gesundheitsbereich zu bewirken. Dies kann und ist in einer Dreierkoalition quasi wie die Quadratur des Kreises, nicht eins zu eins umgesetzt werden.
Konkrete Fakten sind jedoch:
Das Pflegegeld nach 7 Jahren um gerade 5 % anzuheben ist Verhöhnung der Pflegebedürftigen, der pflegenden Angehörigen. Im Gegensatz dazu steigen die sogenannten Diäten der Bundestagsabgeordneten automatisch um wieviel? Jedes Jahr plus Inflationsausgleich.
Der Kritik des bayerischen Gesundheits / Pflegeministers sowie von Frau Verena Bentele vom VdK ist in diesem Zusammenhang voll zuzustimmen.
Der bayerische Gesundheits / Pflegeminister sollte jedoch zunächst einmal seine Hausaufgaben in Bayern erledigen und endlich hinreichende Investitionen, für die Verbesserung der Krankenhausstrukturen in Bayern tätigen. Wenn z.B. medizinische Geräte (MRT, EKG nicht genutzt werden können, da das Fachpersonal fehlt. Läuft doch etwas falsch im Musterland Bayern, oder?

Sonderberichte zum Thema
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Insgesamt lässt sich auf jeden Fall sagen, dass die Kosten an vielen Stellen schneller gestiegen sind als der Orientierungswert.

© Leafart - stock.adobe.com

Praxismanagement

So bekommen Sie steigende Praxiskosten in den Griff

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Bulle und Bär: Wer wird im Anlagejahr 2024 die Oberhand behalten? Zuletzt waren angesichts der Kurssteigerungen die Bullen auf der stärkeren Seite.

© peterschreiber.media / stock.adobe.com

Jahresausblick Geld und Vermögen

Geldanlage: Comeback des klassischen gemischten Portfolios

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: apoBank
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025