Bericht zur Tragfähigkeit der Öffentlichen Finanzen

Lindner, der Anti-Lauterbach: GKV & Co. „langfristig nicht finanzierbar“

Die Altersentwicklung in Deutschland prägt die Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für GKV und Pflege stark. Finanzminister Lindner nutzt einen neuen Bericht für ein starkes Statement in Richtung Lauterbach-Ressort.

Veröffentlicht:
Wie tragfähig sind die öffentlichen Finanzen in den kommenden Dekaden mit Blick auf die Ausgaben für Gesundheit und Pflege? Der Bundesfinanzminister hat dazu eine klare Meinung.

Wie tragfähig sind die öffentlichen Finanzen in den kommenden Dekaden mit Blick auf die Ausgaben für Gesundheit und Pflege? Der Bundesfinanzminister hat dazu eine klare Meinung.

© Schlierner - Fotolia

Berlin. Mit einem Zahlenwerk mischt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die fachpolitische Debatte zu Gesundheit und Pflege auf. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett einen Haken an den neuen Bericht zur „Tragfähigkeit der Öffentlichen Finanzen“ gesetzt. Einmal pro Legislatur informiert das BMF über die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen.

Die aktuelle Politik wird Lindner mit der Datensammlung kaum erreichen: Denn die Zeiträume, die der Bericht adressiert, sind viel zu weit weg von den aktuellen Problemen der Ampel-Koalition.

Die alterungsbedingten öffentlichen Ausgaben, so die Kernaussage, könnten unter ungünstigen Bedingungen von aktuell 27,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 36,1 Prozent im Jahr 2070 steigen. Verläuft die Entwicklung „günstig“, könnten es auch nur 30,8 Prozent sein, haben Lindners Fachleute errechnet. Der BIP belief sich im Jahr 2022 in Deutschland auf 3,88 Billionen Euro.

Tragfähigkeit ist „kein Selbstläufer“

Der Bericht zeige, dass tragfähige öffentliche Finanzen „kein Selbstläufer“ seien. Der FDP-Politiker weiß denn auch aus dem Zahlenwerk eine griffige Botschaft zu formen: „Die aktuelle Ausgestaltung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist in ihrer jetzigen Form langfristig nicht finanzierbar.“

Der demografische Wandel werde die öffentlichen Finanzen in „in Zukunft noch weitaus stärker fordern, als er es heute ohnehin schon tut“, heißt es. Daher seien „Strukturreformen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Rente, Gesundheit und Pflege unabweisbar, die die Kostenentwicklung begrenzen“.

In der Gesetzlichen Krankenversicherung beschränken sich die Projektionen auf die Effekte, die sich aus der verändernden Altersstruktur der Versicherten ergeben. Denn die Auswirkungen der Entwicklungen von Lebenserwartung und medizinisch-technischem Fortschritt auf die künftigen Gesundheitsausgaben seien „mit großer Unsicherheit behaftet“. Im Zeitraum von 1996 bis 2019 lag die durchschnittliche Steigerungsrate der geschlechts- und altersspezifischen Ausgaben in der GKV tendenziell über der durchschnittlichen Wachstumsrate des pro-Kopf-BIP.

Auf Basis der Projektionen werden die GKV-Ausgaben ausgehend von 8,0 Prozent im Jahr 2021 zunächst auf 7,5 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen – das sei ein Effekt der Normalisierung nach Ende der Corona-Pandemie. Dann aber werde der BIP-Anteil für die Gesundheitsausgaben kontinuierlich steigen: Je nach gewähltem Szenario auf 10,0 Prozent im Jahr 2070 oder „nur“ auf 8,2 Prozent im optimistischen Szenario.

Jüngste Pflegereform noch gar nicht berücksichtigt

Eine vergleichbare Demografie-Abhängigkeit ergibt sich für die Soziale Pflegeversicherung (SPV). Akribisch listet der Bericht auf, wie im Gefolge politischer Interventionen in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der als pflegebedürftig eingestuften Personen gestiegen ist (um 35 Prozent), während die Ausgaben um 50 Prozent zugelegt haben. Steigende Zuschüsse zu den Eigenanteilen an den Kosten stationärer Pflege sowie eine bessere Entlohnung von Pflegekräften würden diesen Trend fortschreiben.

Das im Juli 2023 in Kraft getretene Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sei in die aktuellen Berechnungen noch gar nicht eingegangen. Allerdings dürften erhöhte Leistungszuschläge zur Begrenzung der Eigenanteile in der stationären Pflege weitere Ausgabensteigerungen nach sich ziehen, heißt es.

Dabei stützen sich die Projektionen ebenfalls auf die Wachstumsrate der Bruttolöhne. „Grund hierfür ist, dass Pflegeleistungen arbeitsintensiv sind, so dass Löhne der Pflegekräfte in diesem Bereich den wesentlichen Kostenfaktor darstellen.“ Nach den Projektionen des BMF steigen die Ausgaben für die SPV von 1,5 Prozent des BIP (2021) auf 1,7 Prozent bis zum Jahr 2027. Langfristig erhöhten sie sich bis 2070 auf 3,2 Prozent des BIP, in der günstigen Variante auf 2,3 Prozent. (fst)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Kommentar zu therapeutischen Wundprodukten

Der Zynismus einer erratischen Politik

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2024

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Eine Sanduhr, durch die Geldstücke fall

© fotomek / stock.adobe.com

Tag der Privatmedizin 2024

Outsourcing: Mehr Zeit für Patienten!

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Buch mit sieben Siegeln oder edles Werk? KI-Idee einer in Leder eingebundenen neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

© KI-generiert mit ChatGPT 4o

Exklusiv Entwurf unter der Lupe

Das brächte Ihnen die neue GOÄ

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
KI-Einsatz mit Robotern im Krankenhaus oder in der ambulanten Pflege? In Deutschland noch schwer vorstellbar. Aber vielleicht ist das dieZukunft. Ein Feld auch für die Geldanlage.

© sirisakboakaew / stock.adobe.com

Interview zum Thema Geldanlage

KI für Anleger: „Ich sollte verstehen, in was ich investiere“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Deutscher Apotheker- und Ärztebank
Susanne Dubuisson, Product Leader in Health Tech beim E-Health-Unternehmen Doctolib.

© Calado - stock.adobe.com

Tools zur Mitarbeiterentlastung

Online-Termine gegen den Fachkräftemangel

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass vor allem eine hohe Komorbidität (CCI    5) sowie Gebrechlichkeit den fehlenden Nutzen einer ICD-Therapie voraussagen können: Die Wahrscheinlichkeit eines nicht arrhythmiebedingten Todes war darunter ungefähr vervierfacht bzw. verachtfacht.

© Pijitra / stock.adobe.com

Schwierige Abschätzung

Wem der implantierbare Defibrillator eher nicht nützt