Pflegebegutachtung

MDK lehnt Anträge seltener ab

Kommen die Pflegereformen bei den Versicherten an? Neuen Zahlen zufolge fallen weniger Antragssteller durchs Raster und erhalten Leistungen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Pflegerin mit einem alten Mann: Deutlich seltener als nach dem alten Recht wird Versicherten kein Pflegegrad zuerkannt.

Pflegerin mit einem alten Mann: Deutlich seltener als nach dem alten Recht wird Versicherten kein Pflegegrad zuerkannt.

© picture alliance / Ulrich Baumga

BERLIN. Bei der Begutachtung pflegebedürftiger Menschen haben die Medizinischen Dienste der Kassen das Tempo erhöht. Im ersten Halbjahr haben sie "mehr als 900.000" Begutachtungen vorgenommen, teilt die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag mit.

Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 843.000 Begutachtungen. Allerdings erfolgten nur rund 646.000 Begutachtungen im laufenden Jahr nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. In den übrigen Fällen – rund 250.000 – habe es sich um Begutachtungen nach altem System gehandelt, da die Anträge noch im Vorjahr gestellt worden waren.

Ablehnungsquote bis zu 30 Prozent

Das Anfang 2017 neu eingeführte System von fünf Pflegegraden führt dabei offensichtlich dazu, dass weniger alte Menschen durch das Raster der Begutachtung fallen. 14,3 Prozent der Versicherten – rund 92.000 – wurde kein Pflegegrad zuerkannt. Im Jahr 2016 lag die Ablehnungsquote noch bei 19 Prozent. Bei den Erstbegutachtungen wurde im vergangenen Jahr sogar fast jeder dritte Versicherte zunächst abgelehnt (29,7 Prozent).

"Mehr Menschen als im Vorjahr erhalten damit (...) erstmals Leistungen der Pflegeversicherung", erklärt die Bundesregierung. Am häufigsten werden Versicherte dem Pflegegrad 2 zugeordnet (29,1 Prozent), der Pflegegrad 5 wird mit 5,2 Prozent der Begutachtungen am seltensten vergeben.

Kehrseite der Entwicklung sind gestiegene Wartezeiten auf einen Bescheid über einen Pflegegrad. Diese beliefen sich im ersten Halbjahr des laufenden Jahres auf 27,2 Arbeitstage. Im Vergleichszeitraum 2016 waren es noch 16,2 Arbeitstage. Rund 221.000 Anträge galten als dringlich – hier seien die geltenden Fristen in 96 Prozent der Fälle eingehalten worden.

Auf anderen Baustellen der Pflegereformgesetze geht es langsamer voran: Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff sind stationäre Heime und Pflegekassen seit Jahresanfang gehalten, die Pflegesatzvereinbarungen im Hinblick auf Personalstruktur und Personalschlüssel zu überprüfen. Bis Ende April seien in sieben Ländern(Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, NRW und Schleswig-Holstein) landesweite Personalrichtwerte vereinbart worden.

In den neun weiteren Ländern wurden Personalschlüssel auf Ebene der Heime angepasst. Dabei seien "verschiedentlich Verbesserungen in der Personalausstattung erzielt worden", heißt es. Auf Basis von Vereinbarungen, die bis Ende 2016 vorlagen, seien geschätzt "durchschnittlich zwei zusätzliche Vollzeitstellen je stationärer Pflegeeinrichtung ermöglicht worden".

Schritt für Schritt zum Pflege-TÜV

Auch beim Nachfolger für den weitgehend wirkungslosen "Pflege-TÜV" mahlen die Mühlen langsam. Diese Entwicklung war allerdings gewollt. 2016 hatte die Regierung einen Qualitätsausschuss der Pflegeheimbetreiber und der Kassen beauftragt, bis Ende 2017 ein neues System zu entwickeln.

Ein neuer "Pflege-TÜV" sollte nicht zeitgleich mit dem neuen Pflegebegriff eingeführt werden. Der ehemalige Pflegebeauftragte der Regierung Karl-Josef Laumann wollte die Medizinischen Dienste, die beides stemmen müssen, nicht überfordern. Diese Frist wird gerissen. Die Rede ist nun von 2020. Grund sei, dass wissenschaftliche Gutachten erst 2019 zur Verfügung stünden, heißt es von Kassenseite.

Im März ist der Regierungsauftrag für die Entwicklung eines Verfahrens, mit dem der Personalbedarf in Pflegeheimen nach quantitativen und qualitativen Maßstäben ermittelt werden kann, vergeben worden. Den Zuschlag habe die Universität Bremen, Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung (SOCIUM) erhalten, heißt es.

Auf den Tag genau ist mit den Vertragsparteien verabredet, bis wann die Vorarbeiten für die Entwicklung neuer Instrumente für die Qualitätssicherung und -berichterstattung fertig sein sollen. Für die ambulante Pflege der 6. Juni 2018 Stichtag, für die stationäre Pflege soll dies der 20. Juli sein.

Dann erst sind die Pflegekassen und die weiteren Vertragspartner an der Reihe, um die Voraussetzungen für die Einführung dieses neuen "Pflege-TÜVs" zu schaffen. Damit solle so früh wie möglich begonnen werden, "um Zeitgewinne zu realisieren". Das BMG setze sich für seine "schnellstmögliche Einführung" ein, versichert das Ministerium.

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