Neuer Pflege-TÜV
Ausschuss reißt Frist des Gesetzgebers
Das neue Qualitätsmaß für Pflegeheime gerät in Verzug. Eine Studie bietet eine Alternative an.
Veröffentlicht:BERLIN. Das Interesse an Informationen zur Pflegequalität in Heimen ist hoch. Die Schulnoten des bisherigen Pflege-TÜVs gelten als in die Irre führend.
Die Hälfte der Menschen in Deutschland fürchtet, bei Bedarf nicht das richtige Pflegeheim zu finden, weil wichtige Informationen für eine Entscheidung fehlen. Das ist ein Ergebnis einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. "Wenn man in Betracht zieht, dass wir auf fast zehn Jahr Pflege-TÜV zurückblicken, ist das ein besorgniserregender Befund", sagt Stefan Etgeton von der Bertelsmann Stiftung. Die Hälfte der Befragten findet die Qualität in den Heimen gut oder sehr gut, 37 Prozent eher schlecht. Die Personalschlüssel sehen die Menschen sehr kritisch. Knapp drei Viertel der Menschen, die bereits einmal ein Heim gesucht haben, halten die Personalausstattung für eher dürftig, geht aus den Umfrageergebnissen hervor. Das Verhältnis von Bewohnern zu Pflegekräften taucht im aktuellen Pflege-TÜV, nicht auf. Das mündet in einer Durchschnittsnote aus 82 abgefragten Kriterien. Schlechte Pflege kann durch eine gute Speisekarte ausgeglichen werden. Praktisch alle Heime kommen nach diesem Verfahren auf eine Eins.
Das wird sich so bald nicht ändern. 2016 hat die Regierung einen Qualitätsausschuss der Pflegeheimbetreiber und der Kassen beauftragt, bis Ende 2017 ein neues System zu entwickeln. Diese Frist wird gerissen. Die Rede ist nun von 2020. Grund sei, dass wissenschaftliche Gutachten erst 2019 zur Verfügung stünden, heißt es von Kassenseite.
Da die Akteurskonstellation im Qualitätsausschuss dieselbe sei, die auch das alte System aufgebaut habe, sei zu befürchten, dass lediglich eine Reform des kleinsten gemeinsamen Nenners dabei herauskomme, warnt Etgeton. "Man merkt, dass kein Druck drin ist, wirklich etwas auf die Beine zu stellen", ergänzt Johannes Strotbek von der Weissen Liste.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz macht die Politik für die Fehlentwicklung verantwortlich. Ihr Vorstand Eugen Brysch hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aufgefordert, das neue Qualitätsmaß in der Pflege nicht allein den Heimbetreibern und den Kassen zu überlassen. Ein unabhängiges Gremium solle mitreden dürfen.
Veränderungsdruck bauen nun Weisse Liste und Bertelsmann auf. Die Noten sollen durch klare Warnhinweise und Empfehlungen ersetzt werden.
Das Konzept der Weissen Liste
- Online. Informationen über Heime sollten online zugänglich sein und aktuell.
- Personal. Heime sollten verpflichtet werden, Personalschlüssel und -qualifikation zu veröffentlichen.
- Noten. Die Qualität sollte nicht mehr in Schulnoten zusammengefasst werden. Suchende sollten unmissverständliche Warnungen und Empfehlungen erhalten.