Schlichtung vor Streik
Marburger Bund sieht „Generalangriff“ auf Streikrecht
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall will Warnstreiks stark einschränken und legt einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Der Marburger Bund fordert: Hände weg vom Streikrecht!
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Mit Warnstreiks – wie hier im vergangenen Jahr an den Unikliniken – erhöht der Marburger Bund regelmäßig den Druck auf die Arbeitgeberseite, wenn die Tarifverhandlungen seiner Meinung nach nur schleppend vorankommen.
© Peter Kneffel / dpa / picture alliance
Berlin. Der Marburger Bund ist (MB) empört über die Vorschläge zur Schlichtung von Tarifkonflikten, die der Arbeitgeberverband Gesamtmetall am Dienstag vorgestellt hat. Der vorgelegte Gesetzentwurf sei ein Generalangriff auf das grundgesetzlich geschützte Streikrecht in Deutschland, heißt es in einer Mitteilung der Klinikärztegewerkschaft.
Nach den Vorstellungen von Gesamtmetall sollen Arbeitgeber bereits unmittelbar nach Empfang gewerkschaftlicher Tarifforderungen ein Schlichtungsverfahren in Gang setzen können. Die Teilnahme an diesem Verfahren sei nur vordergründig freiwillig. „De facto wird die Gewerkschaft zur Teilnahme gezwungen, weil es ihr verboten ist, während der von der Arbeitgeberseite eingeleiteten Schlichtung zu streiken“, kritisiert der MB. Bis zum ersten Verhandlungstermin sollen nur noch zweistündige Warnstreiks im Abstand von sieben Tagen möglich sein.
MB sieht Freifahrtschein für Arbeitgeber
Die Autoren des Gesetzentwurfs verschleierten bewusst, dass diese Art von Schlichtungsverfahren ein Freifahrtschein für Arbeitgeber sei, so der MB. Die Arbeitgeber könnten eine Schlichtung initiieren, ohne sich ernsthaft auf Verhandlungen einzulassen. Die Einleitung der Schlichtung werde so zu einem Streikverhinderungsinstrument und nicht zu einem Vermittlungsangebot. „Die Kampfparität wird massiv zu Gunsten der Arbeitgeber verschoben“, sagt die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna.
Es gebe bereits Schlichtungsmodelle auf tarifvertraglicher Ebene. Diese setzten das Einverständnis beider Seiten voraus. Die von Gesamtmetall ins Spiel gebrachte Regelung entkoppele aber das Schlichtungsverfahren von der Zustimmung beider Seiten. Das widerspreche dem Grundgedanken der verfassungsrechtlichen Koalitionsfreiheit, so Johna.
Die Gesetzesinitiative des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall gehe weit über die eigene Branche hinaus und ziele vor allem auf Bereiche der Daseinsvorsorge. So sollen Streiks in diesen Bereichen generell vier Tage vorher angekündigt werden. Das böte Arbeitgebern sehr viel mehr Möglichkeiten als bisher, Streiks ins Leere laufen zu lassen.
Einrichtungen der Daseinsvorsorge werde nach den Vorstellungen des Gesetzentwurfs zusätzlich zum zügigen Abschluss von Notdienstvereinbarungen für den Fall eines Arbeitskampfes auferlegt, „auch eine angemessene Grundversorgung zu gewährleisten“. Was das genau bedeuten soll bleibe unklar, gehe aber über die bislang im Streikfall zu gewährende Notfallversorgung hinaus.
Einrichtungen zur Daseinsvorsorge wären besonders stark betroffen
„Die Arbeitgeber wollen offensichtlich den vielfach ohnehin schon personell stark dezimierten Regelbetrieb zur Grundversorgung erklären. Damit würde ein Großteil der Beschäftigten, die in Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie beispielsweise Krankenhäusern arbeiten, auch jenseits eines Schlichtungsverfahrens faktisch einem Streikverbot unterworfen“, kritisiert die MB-Vorsitzende.
Ärztinnen und Ärzte wären davon genau so betroffen wie Pflegekräfte und Angehörige anderer Gesundheitsberufe. „Ich kann die Politik nur davor warnen, diese Arbeitgeberphantasien zu übernehmen“, so Johna. Der Angriff auf die Arbeitnehmerrechte sei auch ein Programm zur Verschärfung des Fachkräftemangels in Deutschland.
Streiks müssten grundsätzlich das letzte Mittel in einer Tarifauseinandersetzung sein, hatte Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf bei der Präsentation des Gesetzentwurfs am Dienstag in Berlin gefordert. In vielen Tarifkonflikten werde aber inzwischen ohne Rücksicht auf den Verhandlungsstand und die bestehenden Einigungschancen gestreikt, kritisierte er.
Streiks dienen nach Auffassung von Gesamtmetall zunehmend in erster Linie als Marketinginstrument der Gewerkschaften zur Mitgliedergewinnung. Vor allem in der Daseinsvorsorge führe der Arbeitskampf nur um des Arbeitskampfes willen zu schweren Schäden Dritter. Hier müsse der Gesetzgeber dringend handeln, fordert der Verband.
Es gehe nicht darum, das Streikrecht in Frage zu stellen, so Wolf. Es gehe vielmehr darum, Leitplanken zu haben, um den Arbeitskampf wieder zu dem zu machen, was er ursprünglich gewesen sei: Das letzte Mittel um eine Tarifeinigung herbeizuführen. Wolf forderte die künftige Bundesregierung auf, gesetzliche Maßnahmen zur Regulierung des Schlichtungswesens zügig auf den Weg zu bringen. (chb)