Fachgesellschaften

Mehr ärztliche Expertise ins AMNOG!

Die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln braucht die Erfahrung der Ärzte. Davon sind Vertreter medizinischer Fachgesellschaften überzeugt. Sie plädieren für eine Weiterentwicklung des AMNOG-Verfahrens.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Fordert mehr ärztliche Expertise im AMNOG. Professor Baptist Gallwitz.

Fordert mehr ärztliche Expertise im AMNOG. Professor Baptist Gallwitz.

© privat

BERLIN. Für eine Weiterentwicklung des AMNOG haben Vertreter medizinischer Fachgesellschaften plädiert. So hat der neue Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Professor Baptist Gallwitz, zur Amtseinführung eine stärkere Einbindung der Fachgesellschaften bei AMNOG-Entscheidungen gefordert.

Gleiches gilt für die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Deren Vertreter sind nach einer Analyse der bisherigen AMNOG-Verfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verfahren einer besseren Abstimmung mit den Zulassungsbehörden und einer stärkeren Zusammenarbeit mit den medizinischen Fachgesellschaften und Patientenvertretern bedürfe.

Die Begründungen für die Vorstöße sind ähnlich. "Ohne die Erfahrungen der behandelnden Ärzte kann keine wissenschaftlich und therapeutisch sinnvolle Entscheidung getroffen werden, welche Medikamente erstattet werden und welche nicht", sagte Gallwitz.

Es sei in der Vergangenheit bereits zu oft der Fall gewesen, dass das Anliegen des AMNOG zu Lasten der Therapiesicherheit gegangen sei.

Innovationen fallen durchs Raster

Die DGHO führt als Schwäche des AMNOG ins Feld, dass bei der Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie und bei der Bildung von Subgruppen der Stand des medizinischen Wissens und der Praxis nicht ausreichend berücksichtigt werde.

Der geschäftsführende Vorsitzende der DGHO, Professor Mathias Freund, machte deutlich, dass die Bedeutung der frühen Nutzenbewertung über das Ziel einer bloßen Kostenreduktion hinausgehen müsse.

Noch deutlicher wurde Professor Thomas Berg, Leiter der Sektion Hepatologie an der Klinik für Gastroenterologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig.

"Es besteht die berechtigte Sorge der medizinischen Fachgesellschaften, dass therapeutische Innovationen aufgrund formaler Kriterien in der Methodologie der Zusatznutzenbewertung nicht ausreichend gewürdigt und berücksichtigt werden", sagte Berg bei der Vorstellung des sechsten Bandes der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe der DGHO "Frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel in Deutschland 2011 - 2014" in Berlin.

So seien zum Beispiel die Subgruppen bei der frühen Nutzenbewertung der jüngeren Hepatitis-C-Präparate völlig arbiträr gebildet worden. Die Bewertung solle nicht alleine auf der Grundlage der von den pharmazeutischen Unternehmern eingereichten Dossiers, sondern in Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften und Patientenvertretern erfolgen, zum Beispiel um patientenrelevante Endpunkte im Konsens zu definieren.

Die Zahl der Anträge auf frühe Nutzenbewertung ist ausweislich der DGHO-Untersuchung in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich angestiegen. Bis Ende 2014 hätten 98 Wirkstoffe das AMNOG-Verfahren vollständig durchlaufen.

Dafür seien 192 Subgruppen gebildet worden, heißt es in der DGHO-Untersuchung. In etwa 60 Prozent der Verfahren sei kein Zusatznutzen festgestellt worden. Bei den positiv bewerteten Medikamenten hätten sich deutliche Unterschiede zwischen den Fachgebieten aufgetan.

Drei Viertel der Arzneien, denen der Gemeinsame Bundesausschuss einen "beträchtlichen Zusatznutzen" zugesprochen habe, stammten aus der Krebs- und Infektionsforschung.

Endpunkte bestimmen die Chance

Das liege auch an der Bestimmung der Endpunkte, benennen die Fachleute den Grund für diesen Vorsprung. In der Onkologie ist dies meist der Zugewinn an Lebenszeit. Der lässt sich vergleichsweise leicht ermitteln, da sich dieser Zugewinn in der Regel in Wochen oder Monaten ausdrücken lässt.

"Der Endpunkt bestimmt die Chance, einen Zusatznutzen zugesprochen zu bekommen", sagte Professor Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. Bei einem neuen Diabetes-Präparat ergebe das Messen einer zusätzlichen Überlebenszeit keinen Sinn, da zwischen dem Beginn der Therapie und dem Tod des Patienten bis zu 40 oder 50 Jahre liegen könnten.

Eine ständige Überprüfung der AMNOG-Ergebnisse mahnte Professor Wolf-Dieter Ludwig an. Zum Zeitpunkt der Markteinführung lasse sich der therapeutische Stellenwert von neuen onkologischen Arzneimitteln häufig nur begrenzt bestimmen, sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.

Gründe dafür seien Mängel in den für die Zulassung relevanten klinischen Studien, aber auch schlicht die fehlende Erfahrung in der Anwendung des neuen Arzneimittels. Ludwig sprach sich daher gerade für die Onkologie zusätzlich zur frühen auch für eine späte Nutzenbewertung aus.

Die politische Forderung der Onkologen fasste Mathias Freund zusammen: "Wir plädieren für eine Weiterentwicklung des Verfahrens, so dass auch langfristig der Zusatznutzen eines Arzneimittels möglichst präzise bestimmt wird, Innovationen unterstützt werden und ein angemessener Preis bestimmt werden kann."

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