Palliativversorgung
„Menschen brauchen professionelle Unterstützung“
Im Bereich der Hospiz- und Palliativversorgung ist in Deutschland zuletzt viel passiert. Der Pflegewissenschaftlerin Christel Bienstein reicht das nicht. Vor allem eine Statistik bereitet ihr Sorge.
Veröffentlicht:Berlin. Einen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung hat die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Professor Christel Bienstein, gefordert.
Der Umgang mit dem Sterben und dem Tod habe sich in den vergangenen Jahren zwar zum Positiven verändert, sagte die Pflegewissenschaftlerin beim Neujahrsempfang des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV) und der DHP-Stiftung am Mittwochabend in Berlin.
„Begleiten, in einer der schwierigsten Phasen des Lebens, geschieht heute patientenorientiert, interprofessionell und unter Einbeziehung der Angehörigen – aber nicht in ausreichendem Maße.“
Mehrheit stirbt in Krankenhäusern
Immer noch verstürben in Deutschland mehr als 50 Prozent der Menschen in Krankenhäusern, obwohl sich das Gros der Bundesbürger wünsche, „in der häuslichen Umgebung zu verbleiben, wenn es schwer wird und ans Sterben geht“, betonte Bienstein.
Eine verbesserte palliative Versorgung könne zu mehr Qualität am Lebensende und zu einer Entlastung der Krankenhäuser infolge einer höheren Entlassrate führen.
Unbedingt mehr Angebote
Trotz zahlreicher Gesetzesinitiativen gebe es in Deutschland zu wenige Angebote der „kompetenten, mitfühlenden Begleitung am Lebensende“. Die aber würde mehr denn je gebraucht – allein schon aus psychologischen Gründen.
„Menschen haben Angst vor dem Sterben, aber noch mehr vor einer langen Leidenszeit“, sagte Bienstein. „Wir sind aufgerufen, ihnen Mut zu machen darüber zu sprechen und das Wie mit ihren Angehörigen und Freunden zu besprechen, damit die Möglichkeit besteht, dass es so geschieht.“
Angehörige könnten die Aufgabe der Sterbebegleitung nur bewältigen, wenn sie dabei professionelle Unterstützung erhielten, so die Pflegeexpertin.
Mehr als 1500 Hospizdienste
Laut DHPV gibt es in Deutschland derzeit rund 1500 ambulante Hospizdienste, etwa 230 stationäre Hospize für Erwachsene sowie 17 solcher Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Hinzu kommen rund 330 Palliativstationen in Krankenhäusern – drei davon für sterbenskranke Kinder und Jugendliche.
Seit 2007 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Dafür stehen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung rund 330 SAPV-Teams bereit. Mehr als 30 von ihnen haben sich laut Deutschem Kinderhospizverein auf Kinder und Jugendliche spezialisiert.
Demografie lässt Bedarf steigen
Wegen des demografischen Wandels und der damit einhergehenden steigenden Zahl hochbetagter Menschen gehen Experten von einem deutlich wachsenden Bedarf an Palliativmedizin und Palliativpflege aus.
Vor diesem Hintergrund wurde zuletzt auch das Medizinstudium angepasst. Seit 2014 müssen Medizinstudenten, die ihr zweites Staatsexamen ablegen, verbindliche Leistungsnachweise im Fach Schmerz- und Palliativmedizin erbringen.
Außerdem haben Ärzte die Möglichkeit, eine Zusatzweiterbildung im Fach Palliativmedizin zu absolvieren. Laut Bundesärztekammer lag die Zahl der Ärzte mit entsprechender Zusatzqualifikation zuletzt bei rund 11.400.