Untersuchung am UKE
Migräneversorgung bereitet Kopfschmerzen
In Sachen Migränetherapie sollten sich Haus- und Fachärzte konsequenter an Behandlungsleitlinien orientieren, fordert die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) nach einer neuen Studie.
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Die Hand am Hirn: Das typische Bild zum Thema Migräne.
© Kaarsten / Stock.Adobe.com
Hamburg. Aktuelle Studiendaten sind Wasser auf das Lamento der Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Migränepatienten würden noch immer nicht optimal versorgt. Die Fachgesellschaft verweist auf eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE), wonach die ambulante Migränemedizin nicht nur in wenigen Ausnahmen von leerlaufender Diagnostik und verkanntem Medikamentenfehlgebrauch geprägt scheint.
Für die Studie wurden Behandlungsbiografien von 1935 Patienten gesichtet, die zwischen 2010 und 2018 wegen ihrer Migräne die Kopf- und Gesichtsschmerzambulanz des UKE aufgesucht hatten – entweder auf eigene Initiative oder nach Überweisung durch Allgemeinmediziner oder Spezialisten. Im Schnitt, heißt es, waren die Studienteilnehmer 37 Jahre alt und litten an 12 Tagen im Monat unter Kopfschmerzen.
89 Prozent beim Allgemeinarzt
Im Ergebnis befriedigende Verhaltensanweisungen oder medikamentöse Einstellungen waren danach alles andere als die Regel: In den zwölf Monaten vor ihrem ersten Termin in der UKE-Ambulanz waren die Patienten durchschnittlich sieben Mal in einer Arztpraxis vorstellig geworden. 89 Prozent seien beim Allgemeinarzt gewesen, knapp 75 Prozent auch bei einem Neurologen.
„Zudem berichtete fast ein Drittel aller Patienten, wegen ihrer Migräne mindestens einmal in der Notaufnahme gewesen zu sein“, heißt es. 22 Prozent hätten sich ihrer Migräne wegen zuvor sogar in stationärer Behandlung befunden. Und „fast die Hälfte“ der Teilnehmer habe auch einen Orthopäden aufgesucht, weil Migräne häufig mit Nackenschmerzen assoziiert ist.
Selbst unnötiger High-Tech-Einsatz ist offenkundig keine Seltenheit. So wurde bei über der Hälfte der Studienteilnehmer ein CT (54 Prozent) oder ein MRT (51 Prozent) des Kopfes gemacht; obwohl wie die DMKG betont, wissenschaftlich Konsens bestehe, dass bei „typischer Migränesymptomatik und normalem Untersuchungsbefund“ keine Bildgebung nötig sei. Solche Untersuchungen dienten vermutlich eher der Beruhigung – der Patienten und ihrer Ärzte.
Risiko der Chronifizierung
Ein weiterer unschöner Befund: Medikamentenübergebrauch – und damit das Risiko einer Chronifizierung der Migräne – bleiben vielfach unerkannt oder werden einfach nicht behandelt. Von den neun Prozent der Studienteilnehmer, bei denen zum Erstbesuch in der UKE-Ambulanz den Angaben zufolge ein Übergebrauch festzustellen war, hätten sich die meisten („mehr als drei Viertel“) „noch nie einem Entzug unterzogen“. Weitere Ergebnisse der Erhebung:
- 34 Prozent der Migränepatienten, die das UKE aufsuchten, hatten zuvor keine leitliniengerechte Therapie erhalten.
- 53 Prozent der Patienten war entweder noch nie ein Medikament zur Migräneprophylaxe verordnet worden, oder sie hatten es nicht eingenommen.
- Bei lediglich 0,6 Prozent der Studienteilnehmer waren sämtliche empfohlenen Behandlungsstrategien angewendet worden, aber schlussendlich erfolglos geblieben.