Konjunkturpaket

Saftige Finanzspritzen für ÖGD und Kliniken

Union und SPD haben sich nach zweitägigen Verhandlungen auf ein Konjunkturpaket verständigt. Enthalten sind zehn Milliarden Euro für Investitionen in das Gesundheitswesen. Die Reaktionen aus der Branche fallen unterschiedlich aus.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündet auf einer Pressekonferenz die Inhalte des Konjunkturpakets.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündet auf einer Pressekonferenz die Inhalte des Konjunkturpakets.

© John Macdougall/AFP/POOL/dpa

Berlin. Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD), ein Zukunftsprogramm Krankenhaus, Impfstoffentwicklung und Bevorratung von Schutzausrüstung: Der Koalitionsausschuss hat am Mittwochabend Investitionen von knapp zehn Milliarden Euro in das Gesundheitswesen beschlossen.

Insgesamt will die Koalition rund 130 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen, allein 20 Milliarden durch einen bis Ende des Jahres auf 16 Prozent abgesenkten Mehrwertsteuersatz. Beschlüsse, die das Gesundheitswesen betreffen:

Der lange Zeit von Ländern und Kommunen eher stiefmütterlich behandelte ÖGD ist im Zuge der Pandemie zu einer „unverzichtbaren Säule des Gesundheitswesens“ mutiert. Mit einem „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“ will sich der Bund an dieser Stelle an der Finanzierung dieser Länderaufgabe beteiligen. Vier Milliarden Euro sollen dafür bereitgestellt werden.

Ansetzen wollen die Koalitionäre bei der Personalausstattung. Dafür soll der Personalbedarf eines Mustergesundheitsamtes definiert werden. Für fünf Jahre will der Bund den Ländern zusätzliche Stellen in den Ämtern finanzieren.

Eine Änderung der Approbationsordnung soll es angehenden Ärzten ermöglichen Famulaturen und das Praktische Jahr in Gesundheitsämtern abzuleisten.

In der am Mittwoch beschlossenen Summe sind dem Wortlaut der Erklärung zufolge auch die bereits im Bundestag beschlossenen der Gesundheitsämter mit Hard- und Software enthalten, die die Kommunikation der Ämter mit Laboren und dem Robert Koch-Institut verbessern sollen. Dabei handelt es sich um rund 50 Millionen Euro.

Mit einem, „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ soll der stationäre Sektor gefördert werden. Investitionsziele sind hier die Aufwertung der digitalen Infrastruktur, der Telemedizin, der Robotik, der Hightechmedizin und des Dokumentationswesens einschließlich des Schutzes vor Cyberkriminalität.

Dafür soll der Strukturfonds drei Milliarden Euro erhalten. Der Fonds wurde in der vergangenen Legislaturperiode zur Verbesserung regionaler stationärer Versorgungsstrukturen aufgelegt, wozu ausdrücklich auch die Schließung kleinerer und als nicht mehr versorgungsrelevant definierter Krankenhäuser gehören sollte.

Die Coronavirus-Pandemie treibt Investitionen in die „inländische Produktion“ von Arzneimitteln, einschließlich Impfstoffen, und Schutzausrüstung. Dazu soll auch die Herstellung von Wirkstoffen und deren Vorprodukten gehören.

Für eine Milliarde Euro will die Koalition an dieser Stelle mehr Unabhängigkeit von Lieferungen aus dem Ausland herstellen. Aktuell sind großer Anteile der Grundstoffproduktion vor allem nach China und Indien ausgelagert.

Eine weitere Milliarde Euro soll in die fließen. Die geplante „nationale Reserve“ soll dezentral in medizinischen Einrichtungen und beim Katastrophenschutz der Länder eingelagert werden. Arztpraxen sind nicht ausdrücklich erwähnt.

Für die Produktion von Impfstoffen gegen das neuartige Coronavirus und den Aufbau von Produktionskapazitäten stellt die Regierung 750 Millionen Euro bereit. Damit soll die Impfstoffentwicklung auch auf das Auftreten neuer Erreger vorbereitet werden.

Unterschiedliche Reaktionen auf die Koalitions-Milliarden

Die Impulse der Koalition, Arzneimittel- und Impfstoffproduktion in Deutschland zu fördern, haben positiv-kritische Reaktionen bei den Herstellerverbänden der Pharmabranche ausgelöst.

„Dass die Große Koalition nun ein Programm zur Förderung der flexiblen und im Falle einer Epidemie skalierbaren inländischen Produktion wichtiger Arzneimittel und Medizinprodukte auflegen möchte, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Dr. Hubertus Crantz. Insgesamt müssten die Rahmenbedingungen für den Pharmastandort Deutschland attraktiver werden.

Entscheidend sei, wie das Programm ausgestaltet werde, betonte Crantz. Das Ziel dürfe nicht Autarkie sein, sagte der Geschäftsführer von Pro Generika, Bork Bretthauer. „Das Problem ist nicht so sehr, dass die Wirkstoffe aus anderen Teilen der Welt kommen. Das Problem ist, dass sie nur aus ein oder zwei Teilen kommen“, sagte Bretthauer mit Blick auf die in Indien und China konzentrierte Grundstoffproduktion. Dieses „Klumpenrisiko“ müsse aufgelöst werden.

Die Hersteller gingen davon aus, dass die Regierung das Thema auf die Agenda der im Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft setzen werde.

Krankenhausgesellschaft: „Dringend notwendiger Schritt“

Drei Milliarden Euro sollen die Krankenhäuser erhalten. Nach Aussagen von Abgeordneten der Koalition soll das Geld in den Aufbau neuer sektorenübergreifender Strukturen der Notfallversorgung fließen. Davon ist in der ersten Reaktion der Deutschen Krankenhausgesellschaft nicht die Rede.

Das Geld sei ein „dringend notwendiger erster Schritt“, um die Investitionslage in den Kliniken zu verbessern, sagte DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß. „Wir können der Politik garantieren, dass wir diesen Konjunkturimpuls sehr schnell umsetzen, da die Krankenhäuser Pläne – insbesondere für die Digitalisierung – schon in den Schubladen haben.“

Förderung Strukturfonds für Universitätskliniken schwierig

Die Mittel sollen nach den Maßgaben des Strukturfonds verteilt werden. „Für die Universitätsklinika ist eine Förderung durch den Strukturfonds nur sehr begrenzt möglich und mit hohen Hürden verbunden“, sagte Professor Michael Albrecht, Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika (VUD).

Mit einer Erhöhung der Mittel für den Krankenhaus-Strukturfonds müsse gewährleistet sein, dass die 35 Universitätskliniken „vollumfänglich förderfähig“ werden. Es dürfe keine Rolle spielen, ob sich ein Plankrankenhaus oder eine Universitätsklinik um die Förderung bewerbe.

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