SPD-Pläne
Mit Zweitmeinung die Op-Flut eindämmen
Regierung und Opposition beobachten argwöhnisch die Mengenentwicklungen in den Krankenhäusern. Die SPD lässt nun eine alte Idee wieder aufleben.
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Blick in eine Intensivstation. Ob jede Operation dem Patienten nützt, ist umstritten.
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BERLIN. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert für Patienten einen verbindlichen Anspruch auf ein Zweitmeinungsverfahren vor planbaren Operationen.
Das geht aus einem Arbeitspapier der Fraktion hervor, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.
In einem ersten Schritt solle das Verfahren für den Austausch von Hüft- und Kniegelenken, Bandscheibenoperationen und Prostataektomien eingeführt werden, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach.
Patienten vor unnötigen Eingriffen schützen
Hintergrund des Vorstoßes, der noch vor der Sommerpause in ein Gesetzgebungsverfahren münden soll, ist der von Regierung bis Opposition unterstellte ökonomisch bedingte Anstieg der Fallzahlen in den Kliniken.
Um Patienten vor unnötigen Eingriffen zu schützen, sollen nach dem SPD-Vorschlag Ärzte in zertifizierten, interdisziplinären Zentren Operationspläne auf Plausibilität prüfen.
Die Techniker Krankenkasse bietet ein solches Zweitmeinungsverfahren bei Wirbelsäulenoperationen in einem der 30 Schmerzzentren in Deutschland bereits an.
Zwischen 2010 und 2012 haben die Zweitgutachter bei 420 von 500 Patienten, die das Angebot nutzten, Alternativen zur Operation empfohlen.
Immer mehr Endoprothesen und Herzschrittmacher
Unbestritten ist: Es werden immer mehr Endoprothesen und Herzschrittmacher implantiert sowie Koronarangiografien vorgenommen.
Ein Beispiel: Zwischen 2004 und 2011 sind die Hüft-TEPs einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) zufolge von knapp 138.000 auf 159.000 gestiegen.
Der Anteil von Patienten mit angemessener Indikation sei im gleichen Zeitraum von gut 70 Prozent auf mehr als 93 Prozent gewachsen, heißt es in der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in Auftrag gegebenen Studie.
Die SPD-Abgeordneten berufen sich auf andere Zahlen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung und die AOK waren im vergangen Jahr zum Ergebnis gekommen, dass weniger als die Hälfte des Leistungsanstieges in den Krankenhäusern darauf zurückzuführen sei, dass die Menschen im Lande älter und kränker werden.
GKV bezahlt Zweitmeinung
"Zweitmeinungssystemen wird eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung der Mengendynamik potenziell nicht angemessener Operationen eingeräumt," schreibt der Gesundheitssystemforscher Max Geraedts von der Universität Witten/Herdecke im Krankenhausreport 2013 der AOK.
Er verweist darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss längst damit beauftragt sei, Grundsätze für das Einholen von Zweitmeinungen zu beschließen.
Die Bundesärztekammer billigt Patienten in der Musterberufsordnung ein Recht auf Zweitmeinungen zu. Gesetzliche Krankenversicherungen bezahlen die zweite ärztliche Beratung schon heute.