Resistenzen

Modellprojekt setzt auf Arztkommunikation

Antibiotika-Resistenzen sind großes Thema des G20-Gipfels. vdek und KBV legen ein konkretes Modell vor – mit 14 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Wirkt das Antbiotikum noch? Um der Zunahme von Resistenzen entgegen zu wirken, setzt RESIST auf die Arzt-Patienten-Kommunikation.

Wirkt das Antbiotikum noch? Um der Zunahme von Resistenzen entgegen zu wirken, setzt RESIST auf die Arzt-Patienten-Kommunikation.

© SrdjanPav / Getty Images / iStock

BERLIN. Zur Forschung an neuen Reserveantibiotika ist eine internationale Strategie nötig. Das betonte die Vorsitzende des Ersatzkassenverbandes vdek, Ulrike Elsner, im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg. Finanziell sei die Forschung an Reserveantibiotika für ein einzelnes Pharmaunternehmen derzeit relativ uninteressant. "Möglicherweise ist das etwas, was nur mit staatlicher Unterstützung erfolgen kann", sagte Elsner am Dienstag bei der Vorstellung des Innovationsfonds-Projektes RESIST zur Vermeidung nichtindizierter Antibiotika-Verordnungen.

Der Kassenverband geht davon aus, dass rund 30.000 Infekte und 1000 bis 4000 Todesfälle in Deutschland pro Jahr auf multiresistente Erreger zurückgehen. Zur Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen haben vdek und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das Gemeinschaftsprojekt RESIST initiiert, das mit rund 14 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds gefördert wird. Das Modellvorhaben setzt auf das Prinzip Kommunikation statt nicht indizierter Medikation.

Seit 1. Juli können Hausärzte, Kinderärzte und Internisten in acht KVen teilnehmen. Voraussetzung ist, dass sie eine Online-Schulung absolvieren, die in drei Modulen die Arzt-Patienten-Kommunikation in den Vordergrund rückt.

"Deutschland ist kein Hochverordnungsland, aber wir können noch besser werden", sagte Professor Attila Altiner, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Uni Rostock, die das Projekt evaluiert. Mit 38 bis 40 Millionen Verordnungen pro Jahr liegt Deutschland den Angaben zufolge europaweit im unteren Drittel. Dennoch geht etwa der DAK-Report davon aus, dass fast ein Drittel der Verordnungen unnötig sind. Diese will das Projekt dank intensiver Patientengespräche reduzieren.

Die ersten 650 von angestrebten 3000 Ärzten haben die Schulung bereits durchlaufen. "Wie wir aus den Regionen hören, trifft die Schulung auf gute Akzeptanz", sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Er begrüßt, dass das Projekt nicht nur auf eine Veränderung des Verordnungsverhaltens ziele, "sondern dass wir mit RESIST auch das ausführliche Arzt-Patienten-Gespräch fördern". Dieser Ansatz sei richtig und sollte zielstrebig verfolgt werden, so Hofmeister. "Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist für den Heilungsprozess insbesondere in der Zeit von Fake News wichtiger als je zuvor".

Das Projekt läuft bis 30. September 2019.

Ärzte erhalten für die Teilnahme an der Schulung 200 Euro und können aus dem Projekt bis zum 30. September 2019 ein Honorar von 450 Euro pro Quartal generieren. Dazu müssen sie mindestens 20 Patienten pro Quartal bei Erkrankungen der oberen Atemwege im Rahmen des Projektes versorgen. In welchem Ausmaß die Schulung das Verordnungsverhalten ändert, wird im Vergleich mit 3000 Nicht-Teilnehmer-Praxen ermittelt.

Unterdessen hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) im Vorfeld des G20-Gipfels in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" betont, dass sich die G20-Staaten zu einer weltweiten Verschreibungspflicht für Antibiotika bekannt haben (die "Ärzte Zeitung" berichtete). Um die globale Gesundheitspolitik zu stärken, kündigte er die Schaffung eines "Beirats aus international anerkannten Gesundheitsexperten" an.

Projekt "RESIST"

- Das Programm wurde von vdek und KBV entwickelt. Es setzt auf eine bessere Arzt-Patienten-Kommunikation statt nicht indizierter Medikation.

- Seit 1. Juli können Hausärzte, Kinderärzte und Internisten in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Saarland und Westfalen-Lippe teilnehmen.

- Für die Teilnahme an der Online-Schulung erhalten Ärzte 200 Euro. Bis 30.9.2019 können sie ein Honorar von 450 Euro pro Quartal generieren. Dazu müssen sie mindestens 20 Patienten pro Quartal bei Erkrankungen der oberen Atemwege im Rahmen des Projektes versorgen.

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 06.07.201718:02 Uhr

Ohne Klinikerschulung bleibt RESIST Stückwerk!

Sehr erfreulich, dass die ersten 650 von angestrebten 3000 Ärzten die Schulung als Multiplikatoren bereits durchlaufen haben. "Wie wir aus den Regionen hören, trifft die Schulung auf gute Akzeptanz", heißt es von KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister.

Doch wenn das Projekt nicht nur auf eine Veränderung des Verordnungsverhaltens zielen soll, "sondern dass wir mit RESIST auch das ausführliche Arzt-Patienten-Gespräch fördern" fehlt eine Vergütungsregelung für diesen Mehraufwand völlig. Ein laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) richtiger und zielstrebiger Ansatz kann doch nicht schon wieder zum demotivierenden Nulltarif für alle Vertragsärzte erfolgen. Und extra geschulte Kolleginnen und Kollegen geben ihr Wissen als Multiplikatoren auch an ihre Nachbar- und Vertretungs-Vertragsärzte weiter.

Kliniken und Krankenhausärzte bleiben bei allen weltweiten Bemühungen gegen rund 30.000 stationäre Infekte und 1000 bis 4000 Todesfälle allein in Deutschland pro Jahr durch multiresistente Erreger hierzulande offensichtlich außen vor. Gerade dort müssten aber vom PJ-ler über Assistenz-, Abteilungs-, Ober- und Chefärzte gemeinsam mit dem Stationspersonal alle Beteiligten auch ihre Hygiene- und Infektiologie-Hausaufgaben machen.

Mein heutiges Praxisbeispiel:
Patient, 53 Jahre alt, sehr sportlich, 186 cm, 92 kg, fit und weitgehend gesund [Doku 4444], hatte sich beim Hinterherziehen eines Mattenwagens in der Turnhalle an einer scharfen Wagenkante in die li Ferse geschnitten.
Befund: quer verlaufende, reizlose Wundnaht, Achillessehne intakt, keine Infiltration, keine Nervenverletzung.
Er wurde in der Chirurgie-Ambulanz einer anthroposophisch orientierten Klinik erst-versorgt und gegen Tetanus re-immunisiert.
Doch trotz sauberer Wunde, schneller, adäquater Wundversorgung stellte ihm der Assistenzarzt ein Antibiotika-Rezept aus: CEC 500 (Cefaclor)Tabletten 10 Stück, 2x1 über 5 Tage sollte der Patient einnehmen?

Nur dem Umstand, dass die Apotheke das Präparat nicht vorrätig hatte, ist zu verdanken, dass ich den Patient noch davon abhalten konnte, diese völlig unnötige Antibiose anzuwenden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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