Honorarstreit

Montgomery warnt vor "heißem Herbst"

Der Ton wird schärfer im Streit um die Honorare für die Niedergelassenen: BÄK-Präsident Montgomery warnt vor einem "heißen Herbst" - und spricht von "Folterinstrumenten" der Ärzte.

Veröffentlicht:
"Die Kassen müssen drauflegen", fordert BÄK-Chef Professor Frank Ulrich Montgomery.

"Die Kassen müssen drauflegen", fordert BÄK-Chef Professor Frank Ulrich Montgomery.

© Maurizio Gambarini / dpa

DORTMUND (nös). Im Streit um die Honorarerhöhung von 0,9 Prozent im kommenden Jahr hat der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Frank Ulrich Montgomery, die Krankenkassen vor einem "heißen Herbst" gewarnt.

Montgomery stellte sich damit erneut hinter die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten. Bereits bei der KBV-Sonder-Vertreterversammlung am Samstag in Berlin versprach er den Ärzten "volle Unterstützung und Solidarität" der Ärztekammern.

Jetzt kündigte Montgomery eine Eskalationsstrategie an, bei der die Ärzte schrittweise den Druck erhöhen werden.

"Wenn die Kassen nicht einlenken, werden sie einen heißen Herbst erleben", sagte der BÄK-Präsident den in Dortmund erscheinenden "Ruhr-Nachrichten" (Dienstag). Die Notfallversorgung sei jedoch sichergestellt. Dazu seien die Krankenhausärzte bereit, so Montgomery.

Ärzte hätten einen langen Atem. Die Gesellschaft müsse sich außerdem fragen, welche medizinische Versorgung sie sich in Zukunft leisten wolle.

Montgomery lobte zudem Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) für seine Äußerung in der "Bild"-Zeitung, wonach die Krankenkassen eine Mitschuld an der verfahrenen Situation trügen.

"Der Bundesgesundheitsminister hat den Kassen die Leviten gelesen und ihnen die Verantwortung für Streiks und Praxisschließungen bei den Vertragsärzten gegeben", sagte der BÄK-Präsident. "Das war das richtige Signal zur richtigen Zeit."

Platzen lassen "war absolut richtig"

Die Forderung der KBV nach einem Honorarplus von elf Prozent beziehungsweise rund 3,5 Milliarden Euro mehr bezeichnete Montgomery als "keinesfalls überzogen".

Die Niedergelassenen hätten schließlich zwei Nullrunden hinter sich. Mit dem jetzigen Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses mit der Stimme des unparteiischen Schlichters, Professor Jürgen Wasem, "wird lediglich die Kostensteigerung bei den Praxisausgaben für Miete und Gehälter abgefangen, mehr nicht". Diese Erhöhung sei "nur ein Tropfen auf den heißen Stein".

Montgomery forderte die Krankenkassen auf, in dem Streit einzulenken: "Wir benötigen einen neuen Anlauf für Verhandlungen", forderte er. "Die Krankenkassen werden drauflegen müssen."

Er verteidigte außerdem das Vorgehen von KBV-Chef, Dr. Andreas Köhler, der die zweite Verhandlungsrunde am Montag platzen gelassen hatte.

"Es war nicht zu erwarten, dass der Gegner (die Kassen, Anm. d. Red.) schon beim ersten Zeigen der Folterinstrumente einknickt", sagte Montgomery. "Das Platzen der Verhandlungen war absolut folgerichtig."

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 04.09.201215:22 Uhr

"Wer einen Fehler begangen hat und ihn nicht korrigiert, ...

begeht einen weiteren Fehler" (Konfuzius, 551-479 v. Chr.)

Diesen "heißen Herbst" hat sich die Kassenseite, also der GKV-Spitzenverband, selbst eingebrockt! Das dilettantisch fehlerhafte Prognos-Gutachten, das eine sieben prozentige Kürzung unserer GKV-Punktwert-Umsätze befriedigen sollte, kann auch das lächerliche Plus von 0,9% ad absurdum führen.

Die Prognos-Sachverständigen um Dr. Ronny Wölbing haben nämlich bei Ihren Quellenangaben zu den Kostensteigerungen 2007-2011 einen Personalkostenanstieg von 7,96%, in 4 Jahren also durchschnittlich um 1,99% pro Jahr konstatiert. Der Index der Lohnnebenkosten (+9,48%) ist um 2,37% pro Jahr angestiegen. Die Energiekosten (+19,30%) haben jährlich um 4,83% zugelegt. Vgl.
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche/2012_2/120809_prognos_gutachten/PK_20120809_Gutachten_Orientierungswert_Prognos_AG.pdf

Spektakulär sind Taschenspielertricks, mit denen gestiegene Honorare für Assistenz und Praxisvertretung, Praxismaterialien und eigenes Labor, Fremdlabor, Versicherungen, KFZ, sonstige betriebliche Aufwendungen und Anschaffungen ''geringwertiger Wirtschaftsgüter'' schön gerechnet wurden: Mit unübersehbar n i c h t vorhandener Kreativität haben die Prognos-Autoren schlicht den "Allgemeinen Verbraucherpreisindex" von destatis.de (Statist. Bundesamt Deutschland) genommen, der in 4 Jahren allerdings auch um 6,54%, also jährlich um 1,61% angestiegen ist. Aber mit höheren Praxiskosten so gut wie gar nichts mehr zu tun hat. Am dreistesten war die gutachterliche Stellungnahme zu Praxis-Mieten und -Leasing: Der private "Verbraucherpreisindex Mieten", von destatis.de antizyklisch in Ost und West mit einem Durchschnitt von +4,79% in 2007-2011 bestimmt, wurde ausgerechnet auf alle GKV-Vertragsärzte und -Psychotherapeuten heruntergebrochen.

Fundamental ist allerdings auch der Fehler vieler Zeitgenossen, die von der KBV geforderte Erhöhung des Orientierungspunktwertes um 11 Prozent als Netto-Zusatzeinkommen der Kassenärztinnen und -ärzte zu brandmarken. Das sind in unseren Quartalsabrechnungen U m s ä t z e, von denen im Durchschnitt mindestens 50 Prozent Kosten abzuziehen sind. Und Mehrforderungen nach 5,5% Plus sind in der derzeitigen Tariflandschaft vollkommen sozialverträglich.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Belastungsfähigkeit verbessern

Regelmäßig in die Sauna – hilft das bei Herzinsuffizienz?

Lesetipps
Bald nicht nur im Test oder in Showpraxen: Auf einem Bildschirm in der E-Health-Showpraxis der KV Berlin ist eine ePA dargestellt (Archivbild). Nun soll sie bald überall zu sehen sein auf den Bildschirmen in Praxen in ganz Deutschland.

© Jens Kalaene / picture alliance / dpa

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Betritt unbekanntes Terrain: CDU-Politikerin und designierte Bundesministerin für Gesundheit Nina Warken.

© Bernd Weißbrod/dpa

Update

Überraschende Personalie

Eine Juristin wird Gesundheitsministerin: Das ist Nina Warken