BKK-Kritik

"Morbi-RSA verzerrt den Wettbewerb"

Die Korrekturen am Morbi-RSA verschaffen vor allem der AOK Vorteile, beklagen Betriebskassen.

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MÜNCHEN. Die Wettbewerbschancen der Krankenkassen sind nach Ansicht der bayerischen Betriebskrankenkassen nach wie vor verzerrt. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der GKV (FQWG) seien weiter einseitig ausgebaut worden, sagte Sigrid König, Vorstand des BKK-Landesverbandes Bayern.

So würden bei der Annualisierung der Behandlungskosten von Verstorbenen nur die für den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (RSA) relevanten Krankheiten berücksichtigt.

Bei Versicherten, die etwa an Unfallfolgen sterben, bleibe die Kasse dagegen auf hohen Versorgungskosten ohne einen finanziellen Ausgleich aus dem RSA sitzen.

Kritik äußerte König auch an den Änderungen beim Krankengeld, die willkürlich und ohne analytische Basis vorgenommen worden seien.

Da das Krankengeld auf dem tatsächlichen Einkommen beruht, im Morbi-RSA aber nur standardisierte Durchschnittsverdienste ausgeglichen werden, seien Krankenkassen mit vielen Gutverdienern benachteiligt, erläuterte König. Bei den Betriebskrankenkassen entstehe dadurch eine Finanzierungslücke von 110 Millionen Euro pro Jahr.

Nutznießer der Neuregelung seien Kassen, deren Mitglieder wenig verdienen. Auf diese Weise schaffe das System sogar noch einen Anreiz, sich wenig um die Gesundheit ihrer Mitglieder zu kümmern. Besser wäre es deshalb, wenn sich die Zuweisungen beim Krankengeld verursachungsgerecht am Gehalt des Versicherten orientieren würde, meinte König.

Die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen der FQWG seien "ernüchternd". So steige der Deckungsbeitrag bei der AOK von 232 auf 630 Millionen Euro.

"Dank Morbi-RSA hat die AOK seit 2009 ein Polster von rund 1,55 Milliarden Euro aufgebaut", erklärte König. Allein durch die Neuregelung des Ausgleichs für Verstorbene gewinne die AOK 400 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds.

Eine entscheidende Rolle für die Berechnung der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds spiele die Kodierqualität in der ambulanten Versorgung. Dabei gebe es erhebliche regionale Unterschiede. Während Sachsen-Anhalt mit einem Anteil von 94 Prozent gesicherten Diagnosen ganz oben stehe, liege Bayern mit einer Quote von 87 Prozent am unteren Ende.

So bekomme die Krankenkasse beispielsweise für einen Patienten mit der Diagnose Adipositas nur dann einen Zuschlag von 645 Euro im Jahr, wenn auch der BMI exakt dokumentiert ist.

Um eine halbwegs gerechte Abbildung der tatsächlichen Morbidität zu gewährleisten, müssten so wie in den Krankenhäusern auch im niedergelassenen Bereich Kodierrichtlinien verpflichtend eingeführt werden, forderte König. (sto)

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Kommentare
Anne C. Leber 17.07.201413:23 Uhr

Leserzuschrift von Dr. Maximilian Gaßner

Der Artikel bezieht sich zum einen auf Änderungen im Berechnungsverfahren, die das Bundesversicherungsamt aufgrund rechtskräftiger Urteile des Landessozialgerichtes (LSG) NRW für die Ausgleichsjahre nach 2013 durchführen wird (Annualisierung der Behandlungskosten), zum anderen auf Änderungen durch das GKV-FQWG (Krankengeld).
Annualisierung der Behandlungskosten
Der Inhalt der Neuregelung ist ein anderer als der angegebene: Die Krankenkassen erhalten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, die von den durchschnittlichen Ausgaben nach Alter, Geschlecht und Krankheiten der Versicherten abhängen. Die Urteile des LSG NRW zielen darauf ab, bei der Berechnung dieser Durchschnitte auch die Ausgaben Verstorbener vollständig zu berücksichtigen. Entgegen der Behauptung im Artikel erhält keine Krankenkasse einen Ausgleich der Behandlungskosten verstorbener Versicherter, und schon gar nicht beschränkt auf bestimmte Krankheiten.
Grundsätzlich ist richtig, dass das Finanzvolumen dieser Korrekturen bei mehr als 400 Mio. Euro liegen wird (bei Gesamtzuweisungen von rund 200 Mrd. Euro). Falsch ist hingegen die Behauptung, dass ausschließlich die AOKen finanziell von der Änderung profitieren. Es profitieren grundsätzlich die Krankenkassen, die überdurchschnittliche Morbiditätslasten zu tragen haben. Hierzu zählen auch die Knappschaft, mehrere (auch größere) Betriebskrankenkassen und eine große Ersatzkasse.
Sonderregelung beim Krankengeld
Die Änderungen beim Krankengeld sind nicht willkürlich. Der Wissenschaftliche Beirat beim BVA hat eine Vielzahl von Modellen – darunter auch das von den BKKen vorgeschlagene Modell – empirisch untersucht und ist zum Ergebnis gekommen, dass keines dieser Modelle geeignet ist, die Zielgenauigkeit der Zuweisungen für das Krankengeld zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund hat sich der Gesetzgeber mit dem GKV-FQWG entschieden, weitere Gutachten zur Entwicklung eines geeigneten Modells zu vergeben.
Um in der Zwischenzeit unbillige Härten zu vermeiden, hat der Gesetzgeber für die Übergangszeit einen partiellen Ist-Ausgabenausgleich vorgesehen. Damit werden die Überdeckungen bzw. Unterdeckungen der Krankenkassen in diesem Bereich halbiert. Jede Krankenkasse wird näher an eine Ausgabendeckung gebracht. Die Unterdeckungen der BKKen werden also ebenso halbiert wie die Überdeckungen der AOKen. Dieses Vorgehen ist nicht willkürlich. Willkürlich und damit auch verfassungswidrig wäre es, im Vorgriff auf die ausstehende gutachterliche Empfehlung das von dem BKK-LV lancierte Modell umzusetzen, denn dann hätten sich die gravierenden Überdeckungen einer Vielzahl von Betriebskrankenkassen und einigen Ersatzkassen noch drastisch verschärft.

Dr. Maximilian Gaßner, Präsident des Bundesversicherungsamtes

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